24.11.: Floor*istenball - Tanzen ist ein Menschenrecht
Der Arbeitskreis kritischer Juristen (AKJ) und die AG Medizin & Menschenrechte (M+M) präsentieren:
Floor*istenball - Tanzen ist ein Menschenrecht - Am 24.11.17 wollen wir mit euch, Greifswald nazifrei und allen Feierfreudigen ab 21 Uhr die Ikuwo-Wände wackeln lassen!
Rassismus, Sexismus und Homophobie können draußen bleiben.
Der Erlös kommt der Initiative Pro-Bleiberecht zugute.
Für feinste Mucke ist gesorgt.
Wir freuen uns auf euch!
Freitag, 24.11.2017, ab 21 Uhr im Ikuwo (Goethestr. 1), Soli-Cocktails bis 0 Uhr, Eintritt 3 €
Vortrag „Wider die Todesstrafe – Normative und empirische Argumente für die Abschaffung“
Am Mittwoch, den 29.11.2017, hält Prof. Dr. Stefan Harrendorf einen Vortrag im Bürgerschaftssaal des Greifswalder Rathauses. Die Veranstaltung wurde vom AKJ Greifswald organisiert und findet im Rahmen der Kampagne „Cities for Life – Städte für das Leben – Städte gegen die Todesstrafe“ statt.
Der Vortrag erörtert aus empirischer und normativer Sicht Argumente gegen die Todesstrafe. Nach einer kurzen Darstellung der Rechtswirklichkeit im Jahr 2017 widmet sich der Beitrag zunächst aus empirischer Sicht den Ergebnissen zur (bescheidenen) Abschreckungswirkung der Todesstrafe sowie dem in Befragungen messbaren Verlangen von Teilen der Bevölkerung nach dieser Sanktion. Nach einer kritischen Würdigung der vorgestellten Daten diskutiert der Referent die Todesstrafe aus völker- und menschenrechtlicher Sicht. Es wird erörtert, warum die Todesstrafe gegen die Menschenwürde und das Gebot schuldangemessenen Strafens verstößt.
29.11.2017, 19 Uhr
Vortragsankündigung zum Demonstrationsrecht
Eine Auffrischung im Versammlungsrecht gefällig?
Gerade bei staatskritischen Protesten kommt es oft zu Konflikten zwischen Demonstrierenden und Sicherheitsbehörden, insbesondere der Polizei. Gerade bei Großveranstaltungen fahren Staatsorgane ihren ganzen Apparat auf, wie u. a. die Erfahrungen von Heiligendamm, Castor und Blockupy zeigen.
Umso wichtiger ist es, sich darüber im Klaren zu sein, welche Rechte Demonstrierende haben und welche Handlungen strafbar sind, aber auch, was die Befugnisse und Grenzen staatlicher Repressionstätigkeit sind, welche Verhaltenstipps es dazu gibt und wie man sich dagegen wehren kann.
Vor dem G20-Gipfel in Hamburg wird der AKJ Greifswald bei zwei Veranstaltungen in Greifswald und Rostock über rechtliche Fragen rund um die anstehenden Proteste informieren. Nach einer Einführung sollen die genannten Themen anhand von Beispielen diskutiert werden.
Termine:
- Do, 29. Juni 2017 um 20 Uhr im IKuWo in Greifswald
- Fr, 30. Juni 2017 um 19 Uhr im Peter-Weiss-Haus in Rostock
Lehrstunde zur Versammlungsfreiheit mit der Polizei Vorpommern-Greifswald
Wenn auf der AKJ-Website etwas zu Versammlungen steht, haben in der Regel Leute der Demobeobachtungsgruppe diese begleitet und analysieren danach, inwieweit die Versammlungsfreiheit verletzt wurde. Die Polizei findet uns dann oft zu kritisch, die Presse tut sich manchmal mit unserer juristischen Fachsprache schwer, aber uns geht es eben darum, Menschen für die Rechte der Demonstrierenden zu sensibilisieren. Hier befassen wir uns nun mit einem Geschehen, dass niemand von uns beobachtet hat. Das Interessante ist aber weniger die Demonstration als die rechtliche Lehrstunde zur Versammlungsfreiheit, die die Polizei danach geben wollte. Auch das sehen wir wieder kritisch, und auch hier geht es nicht ganz ohne Jura-Kauderwelsch, aber es scheint uns nötig darauf hinzuweisen, dass Facebookposts der Polizei nicht das Nonplusultra des Versammlungsrechts sind.
Gemeinsam für mehr Privatsphäre!
Heute heißt es: Aktion Datenschmutz! In wenigen Minuten mit einem Auskunftsersuchen dein Recht auf Privatsphäre einfordern.
Dazu passend eine spannender Film heute Abend im KLEX.
In einer digitalisierten Welt sind deine Daten die Ressourcen, mit denen du anderen nicht nur deinen Lieblingsfußballverein und dein Lieblingsessen verrätst. Datenspuren geben auch (oft ungewollt) detailliert Aufschluss über weitere Vorlieben und Gewohnheiten, dein Konsumverhalten, deine Bewegungsabläufe, deine Meinungen und viel mehr noch: deine Schwächen.
Staatliche Repressions- und Überwachungsorgane sowie auch private Unternehmen wie 'Auskunfteien' und Finanzdienstleister haben sich darauf spezialisiert, deine Daten abzufangen und zu sammeln. Es gibt sogar Handelsplätze, wo das gesammelte Wissen über dich verkauft wird. Daten sind zu einer neuen Ware geworden - einem Rohstoff des 21. Jahrhunderts.
IDAHIT* – Start der Aktionswochen gegen Homo-, Inter*- und Trans*phobie
Menschen ohne Personenstand!?
Heute ist Internationaler Tag gegen Homo-, Inter*- und Trans*phobie (IDAHIT*). Mit diesem starten auch in unserer Hansestadt die diesjärigen Aktionswochen gegen Homo-, Inter*- und Trans*phobie. Als AKJ wollen wir diesen Tag auch zum Anlass nehmen, um die rechtlichen Probleme von Personen mit diversgeschlechtlichem Hintergrund zu thematisieren. Denn juristisch gesehen sind (in Deutschland) nicht alle Menschen unabhängig vom Geschlecht gleichberechtigt. Um auf diese Ungleichbehandlung hinzuweisen, haben wir dem Standesamt Griefswald einen offenen Brief geschrieben und dabei einige Fragen gestellt. Wir wollen damit herausfinden, welche bürokratischen Hürden bei uns in Greifswald von queeren Personen zu überwinden sind.
Der Brief im Wortlaut:
Universitäts- und Hansestadt Greifswald
Der Oberbürgermeister
Standesamt
Markt
17489 Greifswald
Betreff: Nachfragen zum Umgang mit diversgeschlechtlichen Personen
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Dr. Stefan Fassbinder,
sehr geehrte Mitarbeiter_innen im Standesamt Greifswald,
sehr geehrte Damen_ und Herren_ ,
[ _ = auch jenseits von heteronormativen Vorstellungen ]
der heutige 17. Mai wird weltweit als Internationaler Tag gegen Homo-, Inter*- und Trans*phobie (IDAHIT*) gefeiert. Er erinnert an die Streichung von Homosexualität als Krankheit aus dem Diagnoseschlüssel der Weltgesundheitsorganisation am 17. Mai 1990. Gleichzeitig mahnt er die weltweit fortdauernde Stigmatisierung, Diskriminierung und Verfolgung von trans*-, inter*- und homosexuellen Menschen. Aus diesem Anlass organisieren verschiedene Gruppen und Einzelpersonen vom 17. Mai bis zum 14. Juni 2017 Aktionswochen in Greifswald.
Gemeinsam wollen wir uns gegen Homo-, Inter*- und Trans*feindlichkeit positionieren und für ein gesellschaftliches Klima eintreten, in dem sich Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht und Begehren wohl und sicher fühlen.
Als AKJ wollen wir den heutigen IDAHIT* zum Anlass nehmen, die rechtlichen Probleme von Personen mit diversgeschlechtlichem Hintergrund zu thematisieren und dabei Greifswald in den Fokus nehmen.
Im Vordergrund steht dabei die Frage, welche bürokratischen Barrieren für Personen bestehen, die sich nicht in die gesellschaftlichen Kategorien der Zweigeschlechtlichkeit einordnen lassen (können/wollen).
Seit November 2013 kann bei der Feststellung des Personenstandes neben der Eintragung „männlich“ oder „weiblich“ alternativ die Angabe auch frei (also ohne Eintragung) gelassen werden (§ 22 Abs. 3 PstG).
Nach einem Beschluss des Oberlandesgericht Celle1 aus dem Jahr 2015 ist nicht nur das Offenlassen der Eintragung des Personenstandes bei Neugeborenen möglich, sondern auch die spätere Streichung des Eintrags von „männlich“ oder „weiblich“ aus dem Geburtenregister.
Wie wird damit bei den Standesämtern umgegangen, die diese Neuerungen nun umsetzen?
Eine einheitliche Norm für diese Fälle existiert nicht und bundesweite Umfragen2 zeigen, dass sich in den verschiedenen Standesämtern unterschiedliche Ansätze und Methoden etabliert haben. Wir möchten mit diesem Brief die Vorgehensweisen des örtlichen Standesamtes in Erfahrung bringen und uns nach den Handlungsoptionen beim Umgang mit Personen mit einem nicht-eingetragenen Personenstand nach § 22 Absatz 3 PstG beim Standeamt Greifswald erkundigen.
Unsere Nachfragen:
1. Wie oft ließ das Standesamt bisher den Personenstand offen, bzw. löschte ihn nachträglich?
(Wenn möglich, bitte nach Jahreszahlen aufschlüsseln.)
Erfolgte später eine weitere Korrektur des Personenstandes („Nachtragen“) für die jeweiligen Fälle?
2. Verlangt das Standesamt Greifswald besondere Nachweise von Personen, bei denen
a) bei der Geburt kein Geschlechtseintrag vorgenommen wird und
b) die nachträgliche Streichung des eigenen Personenstandes im Standesamt beantragt wird?
Wenn ja, welche Unterlagen und Nachweise werden benötigt?
3. Unter welchen Voraussetzungen spricht das Standesamt Greifswald eine Empfehlung aus, dass das Geschlecht nach § 22 Abs. 3 PstG nicht zu erfassen ist? Ist es möglich, dass das Standesamt eine Nichteintragung des Geschlechtes bei Neugeborenen vornimmt, auch wenn die Eltern (respektive ein Elternteil) sich eine zweigeschlechtlich zugeordnete Eintragung für das Kind wünschen/wünscht? In wie weit werden Wünsche der Eltern (respektive eines Elternteils) in Bezug auf das einzutragende Prognosegeschlecht des neugeborenen Kindes berücksichtigt?
4. In welcher Form wird a) ein Offenlassen bei der Geschlechtsbestimmung und b) eine nachträgliche Löschung des Personenstandes nach § 22 Abs. 3 PstG in den seit 2014 digitalisierten Registern des Standesamtes Greifswald geführt?
Welche Codierung erfolgt dabei im System bei Typ „TGeschlecht“ unter der Spezifikation „XPersonenstandsregister“ und bei der Spezifikation „XPersonenstand“?
Welche Markierung (alphanumerisches Zeichen) wird bei Personen, bei denen a) und/oder b) angestrebt wird, auf dem (späteren) Reisepass unter „5. Geschlecht“ abschließend lesbar vermerkt?
5. Wie behandelt das Standesamt Greifswald Personen mit nicht-eingetragenem Personenstand bei einer Eheschließung (respektive Eintragung einer Lebenspartnerschaft) mit einer Person
a) mit männlichem Personenstand,
b) mit weiblichem Personenstand, und
c) mit nicht-eingetragenem Personenstand?
Wir veröffentlichen diesen Brief mit unseren Fragen auf unserer Homepage und würden uns freuen, wenn Sie einwilligen, dass Ihre Antworten zu diesen Fragen auch öffentlich zugänglich gemacht werden.
Mit freundlichen Grüßen
- AKJ Greifswald -
Vom Analogen ins Digitale - Ein Erlebnisbericht von der re:publica 2017
In der vergangenen Woche fand in Berlin die diesjährige, elfte re:publica statt. Eines unserer Mitglieder hat, anlässlich des Diskurses um digitale Grundrechte, für einen Tag an der Konferenz teilgenommen. Welche Eindrücke er mitgenommen hat, erfahrt ihr hier in seinem Erlebnisbericht:
Ich sehe was, was du nicht siehst
(...und darüber weiß ich kaum mehr, als dass es jedenfalls nicht analog ist.)
Schon lange beschäftigt mich die Digitalisierung. Was ist sie und was bedeutet sie für uns Menschen? Um einer Antwort hierauf ein Stück weit näher zu kommen, habe ich einen Tag auf der re:publica 2017 verbracht. Die großen (und auch mittelgroßen) Antworten blieben aus. Trotzdem, das Event stellte sich für mich als so etwas wie einen feuchten Traum für Menschen heraus, die mit großer Neugierde aber zugleich kritisch die Digitalisierung mustern.
„Die re:publica ist eine der weltweit wichtigsten Konferenzen zu den Themen der digitalen Gesellschaft. Seit ihren Anfängen 2007 mit 700 BloggerInnen hat sie sich zu einer "Gesellschaftskonferenz" mit über 8.000 TeilnehmerInnen aus allen Sparten bei der Jubiläums-Ausgabe re:publica TEN entwickelt. Hier vermitteln die VertreterInnen der digitalen Gesellschaft Wissen und Handlungskompetenz und diskutieren die Weiterentwicklung der Wissensgesellschaft. Sie vernetzen sich mit einem heterogenen Mix aus AktivistInnen, WissenschaftlerInnen, HackerInnen, UnternehmerInnen, NGOs, JournalistInnen, BloggerInnen, Social Media- und Marketing-ExpertInnen und vielen mehr. Dadurch entstehen Innovationen und Synergien zwischen Netzpolitik, digitalem Marketing, Netz-Technologie, der digitalen Gesellschaft und (Pop-)Kultur. Rund 46 Prozent der SpeakerInnen auf der re:publica TEN waren weiblich, kaum eine andere Veranstaltung mit vergleichbarer Ausrichtung kann eine ähnlich ausgewogene BesucherInnenstruktur vorweisen.“[1]
Digitale Grundrechte
Der mittlerweile textlich ziemlich konkrete „Vorschlag für eine Charta der digitalen Grundrechte der Europäischen Union“, wurde im Jahr 2015 von der ZEIT-Stiftung mit einigen Autor_innen initiiert. Nach eigenen Angaben ist der Vorschlag mit dem Ziel entstanden, die bereits bestehenden Grundrechte zu stärken und zu konkretisieren. Andererseits solle hieraus ein Prozess entstehen, der in ein bindendes Grundrechte-Dokument mündet. Ob oder wie beides miteinander vereinbar ist, sucht der gesellschaftliche Prozess zu finden.
Als Jurastudent ist der Winkel, aus welchem ich mich bemühe, die Digitalisierung zu erfassen, natürlich deutlich von der rechtswissenschaftlichen Perspektive beeinflusst. Darum ist es wahrscheinlich nicht verwunderlich, dass gerade die Diskussion um eine Charta digitaler Grundrechte meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat. Hinzu kommt, dass die ZEIT-Stiftung mir die Anwesenheit bei eben diesem Teil der re:publica, erst erschwinglich gemacht hat: Die Teilnahme war gratis.
Der Tag bestand für mich aus drei verschiedenen Podiumsdiskussionen sowie einigen interessanten Pausen. Diese gaben mir Gelegenheit die ausgedehnten Vernetzungs- und Messeräume der re:publica zu erkunden.
Während der Programmbeiträge ist die Rolle von Rechtswissenschaftler_innen bei dem angestoßenen Prozess immer wieder mal, teils sogar energisch thematisiert worden. Obwohl man bei den Diskussionen um eine Charta der digitalen Grundrechte möglicherweise erwartet, jede Menge Rechtswissenschaftler_innen auf den Podien vorzufinden, ist dies hier nicht der Fall gewesen. Ich fand das gut, denn mich interessiert in Bezug auf die Digitalisierung der gesellschaftliche Prozess und es sind schließlich nicht bloß wir Jurist_innen, die die Gesellschaft verkörpern.
Einige der Jurist_innen, die sich zu Wort meldeten, äußerten in unterschiedlicher Weise Kritik an dem Vorschlag für die Charta. Nicht selten zogen sie damit die Animosität einiger weiterer Teilnehmer_innen auf sich. Jurist_innen, so nehme ich an, betrachtete man gerne als kühle Sachverwalter_innen, die man nach gefundenem Inhalt der Charta gerne mit den sprachlichen Feinheiten betraut. Notiz an uns selbst: Wir sollten öfter betonen, dass es sich bei dem nicht ganz leicht definierbarem Fach, welchem wir uns widmen, auch um eine Gesellschaftswissenschaft handelt.
Die von Jurist_innen geäußerte Kritik jedenfalls konnte ich nachvollziehen. Teilen konnte ich sie, soweit sie auf dem Hinweis fußte, dass die Unbeweglichkeit von Verfassungen, zumal im Grundrechtsteil, völlig zu Recht besteht; auch ich halte von den Normen, welche unsere Verfassung bilden, grundsätzlich sehr viel. Die besten von ihnen sind solche, die zeitlos sind. Deren Umsetzung in digitalen Belangen ist hingegen viel zu lückenhaft. Erst wenn bestehendes Verfassungsrecht ausreichend digital erprobt ist, d.h. konsequent unter Achtung gesellschaftlicher Entwicklungen angewandt wird, können eventuelle neue Verfassungsnormen gefunden werden. Dies bedeutet keineswegs, dass die vielen Menschen, die es bei dem Thema vor Erregung schüttelt, stillhalten müssen. Sondern im Gegenteil. Wir alle sind gefragt. Wir müssen uns in Auseinandersetzungen begeben, selbstbewusst unsere Meinungen kundtun und uns wenn nötig streiten. Aber vor allem müssen wir uns gegenseitig anhören und wertschätzen. Anders geht es nicht. Erst dann können wir uns gegenseitig Zugeständnisse machen. Das bringt uns voran und stellt gesellschaftliche Entwicklung dar.
Inspiration
Die Besprechung der Charta ist für mich im Nachhinein aber nur eine Nebensache. Was ich von der re:publica mitgenommen habe, ist Inspiration!
So viele Menschen, die darauf brennen ihre Meinung kundzutun. Dabei ist es alles andere als einfach, frei zu sagen, was man denkt. Denn man gibt ja hier nicht wieder, was mit viel Fleiß und Schweiß erlernt und bereits oft bestätigt wurde. Es sind stattdessen Dinge, die man glaubt beobachtet zu haben. Wer berichtet schon gerne von einem fliegenden Schwein, das man gesehen hat, nur um dann von buchstäblich versammelter Gesellschaft für verrückt erklärt zu werden. Andererseits, wenn man das Schwein nun einmal gesehen hat, warum dann nicht davon berichten? Immerhin werden wenigstens Teile der Ordnungsprinzipien, wie wir sie bislang kannten, von der Digitalisierung aufgelöst und vielleicht hat ja noch jemand das Schwein fliegen sehen. Und so konnte ich Menschen, die für mich grundsätzlich ein selbstbewusstes Auftreten hatten, dabei erleben, wie sie all ihren Mut zusammennehmen um sich mitzuteilen. Dabei zittern sie oder beben. Aus Verschüchterung? Oder Empörung? Jedenfalls muss es raus!
Dieser Mut hat mir selber leider gefehlt. Das ist aber nicht schlimm, denn es bedeutet bloß, dass ich ihn ein anderes Mal finde. Ich hoffe dann auf eine Umgebung, in der andere es mir gleichtun und mich ernst nehmen. Wir brauchen solche Orte. Ein solcher Ort können aber nicht nur die re:publica oder Festivals sein. Es braucht mehr gesellschaftliche Zusammenkünfte dieser Art, ohne dass Geld dabei eine Zugangsvoraussetzung ist.
Auch ohne mich selber aktiv an Diskussionen zu beteiligen, habe ich es sehr genossen durch die Hallen der Veranstaltung zu laufen. Sie waren gefüllt von Menschen die unterschiedlicher nicht hätten sein können. Gefehlt haben wahrscheinlich nur die, die man vielleicht als „gesellschaftlich abgehängt“ bezeichnet. Es darf aber niemand fehlen, denn wollen wir herausfinden, was die Digitalisierung mit uns macht, können wir auf niemanden verzichten. Auch die vermeintlich Abgehängten hat unsere Gesellschaft hervorgebracht. Negieren wir dieses Element, werden wir nicht in der Lage sein, zu einer umfassenden Wahrnehmung zu gelangen.
Möglicherweise bietet die französische „Nuit debout“ eine Umgebung, in welcher die von der Digitalisierung hervorgerufenen gesellschaftlichen Prozesse gedeihen können. Ganz analog.
Der Austausch kann aber auch ohne großes Publikum stattfinden. Es braucht nur eine gute Gelegenheit hierfür. Viele von den Menschen, die bei der re:publica herumgelaufen sind, waren in einem ähnlichen Alter wie ich, einige auch nicht. Sie alle beschäftigt die Digitalisierung. Man schaut sich an. Und überall waren hellwache neugierige Augen. Immer fragend: „Siehst du das auch?“ „Kannst du es beschreiben?“ Nur zum Teil, aber vielleicht sehe ich was, was du nicht siehst und wenn wir es beide beschreiben, dann bekommen wir zusammen ein besseres Bild.
Während meiner mehrstündigen Fahrt nach Hause habe ich ein schönes Chaos in meinem Kopf. Es bricht über mich herein. Alles voll mit Fragen und immer, wenn ich glaube eine Antwort gefunden zu haben, entpuppt sich diese als weitere Frage. Anderen wird es bestimmt auch so gehen.
Fragen wollen gestellt werden, also los!
[1] https://re-publica.com/de/17/page/ueber-republica