IDAHIT* – Start der Aktionswochen gegen Homo-, Inter*- und Trans*phobie
Menschen ohne Personenstand!?
Heute ist Internationaler Tag gegen Homo-, Inter*- und Trans*phobie (IDAHIT*). Mit diesem starten auch in unserer Hansestadt die diesjärigen Aktionswochen gegen Homo-, Inter*- und Trans*phobie. Als AKJ wollen wir diesen Tag auch zum Anlass nehmen, um die rechtlichen Probleme von Personen mit diversgeschlechtlichem Hintergrund zu thematisieren. Denn juristisch gesehen sind (in Deutschland) nicht alle Menschen unabhängig vom Geschlecht gleichberechtigt. Um auf diese Ungleichbehandlung hinzuweisen, haben wir dem Standesamt Griefswald einen offenen Brief geschrieben und dabei einige Fragen gestellt. Wir wollen damit herausfinden, welche bürokratischen Hürden bei uns in Greifswald von queeren Personen zu überwinden sind.
Der Brief im Wortlaut:
Universitäts- und Hansestadt Greifswald Der Oberbürgermeister Standesamt Markt 17489 Greifswald
Betreff: Nachfragen zum Umgang mit diversgeschlechtlichen Personen
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Dr. Stefan Fassbinder, sehr geehrte Mitarbeiter_innen im Standesamt Greifswald, sehr geehrte Damen_ und Herren_ , [ _ = auch jenseits von heteronormativen Vorstellungen ]
der heutige 17. Mai wird weltweit als Internationaler Tag gegen Homo-, Inter*- und Trans*phobie (IDAHIT*) gefeiert. Er erinnert an die Streichung von Homosexualität als Krankheit aus dem Diagnoseschlüssel der Weltgesundheitsorganisation am 17. Mai 1990. Gleichzeitig mahnt er die weltweit fortdauernde Stigmatisierung, Diskriminierung und Verfolgung von trans*-, inter*- und homosexuellen Menschen. Aus diesem Anlass organisieren verschiedene Gruppen und Einzelpersonen vom 17. Mai bis zum 14. Juni 2017 Aktionswochen in Greifswald. Gemeinsam wollen wir uns gegen Homo-, Inter*- und Trans*feindlichkeit positionieren und für ein gesellschaftliches Klima eintreten, in dem sich Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht und Begehren wohl und sicher fühlen.
Als AKJ wollen wir den heutigen IDAHIT* zum Anlass nehmen, die rechtlichen Probleme von Personen mit diversgeschlechtlichem Hintergrund zu thematisieren und dabei Greifswald in den Fokus nehmen.
Im Vordergrund steht dabei die Frage, welche bürokratischen Barrieren für Personen bestehen, die sich nicht in die gesellschaftlichen Kategorien der Zweigeschlechtlichkeit einordnen lassen (können/wollen).
Seit November 2013 kann bei der Feststellung des Personenstandes neben der Eintragung „männlich“ oder „weiblich“ alternativ die Angabe auch frei (also ohne Eintragung) gelassen werden (§ 22 Abs. 3 PstG).
Nach einem Beschluss des Oberlandesgericht Celle1 aus dem Jahr 2015 ist nicht nur das Offenlassen der Eintragung des Personenstandes bei Neugeborenen möglich, sondern auch die spätere Streichung des Eintrags von „männlich“ oder „weiblich“ aus dem Geburtenregister.
Wie wird damit bei den Standesämtern umgegangen, die diese Neuerungen nun umsetzen?
Eine einheitliche Norm für diese Fälle existiert nicht und bundesweite Umfragen2 zeigen, dass sich in den verschiedenen Standesämtern unterschiedliche Ansätze und Methoden etabliert haben. Wir möchten mit diesem Brief die Vorgehensweisen des örtlichen Standesamtes in Erfahrung bringen und uns nach den Handlungsoptionen beim Umgang mit Personen mit einem nicht-eingetragenen Personenstand nach § 22 Absatz 3 PstG beim Standeamt Greifswald erkundigen.
Unsere Nachfragen:
1. Wie oft ließ das Standesamt bisher den Personenstand offen, bzw. löschte ihn nachträglich? (Wenn möglich, bitte nach Jahreszahlen aufschlüsseln.) Erfolgte später eine weitere Korrektur des Personenstandes („Nachtragen“) für die jeweiligen Fälle?
2. Verlangt das Standesamt Greifswald besondere Nachweise von Personen, bei denen a) bei der Geburt kein Geschlechtseintrag vorgenommen wird und b) die nachträgliche Streichung des eigenen Personenstandes im Standesamt beantragt wird? Wenn ja, welche Unterlagen und Nachweise werden benötigt?
3. Unter welchen Voraussetzungen spricht das Standesamt Greifswald eine Empfehlung aus, dass das Geschlecht nach § 22 Abs. 3 PstG nicht zu erfassen ist? Ist es möglich, dass das Standesamt eine Nichteintragung des Geschlechtes bei Neugeborenen vornimmt, auch wenn die Eltern (respektive ein Elternteil) sich eine zweigeschlechtlich zugeordnete Eintragung für das Kind wünschen/wünscht? In wie weit werden Wünsche der Eltern (respektive eines Elternteils) in Bezug auf das einzutragende Prognosegeschlecht des neugeborenen Kindes berücksichtigt?
4. In welcher Form wird a) ein Offenlassen bei der Geschlechtsbestimmung und b) eine nachträgliche Löschung des Personenstandes nach § 22 Abs. 3 PstG in den seit 2014 digitalisierten Registern des Standesamtes Greifswald geführt? Welche Codierung erfolgt dabei im System bei Typ „TGeschlecht“ unter der Spezifikation „XPersonenstandsregister“ und bei der Spezifikation „XPersonenstand“? Welche Markierung (alphanumerisches Zeichen) wird bei Personen, bei denen a) und/oder b) angestrebt wird, auf dem (späteren) Reisepass unter „5. Geschlecht“ abschließend lesbar vermerkt?
5. Wie behandelt das Standesamt Greifswald Personen mit nicht-eingetragenem Personenstand bei einer Eheschließung (respektive Eintragung einer Lebenspartnerschaft) mit einer Person a) mit männlichem Personenstand, b) mit weiblichem Personenstand, und c) mit nicht-eingetragenem Personenstand?
Wir veröffentlichen diesen Brief mit unseren Fragen auf unserer Homepage und würden uns freuen, wenn Sie einwilligen, dass Ihre Antworten zu diesen Fragen auch öffentlich zugänglich gemacht werden.
Mit freundlichen Grüßen - AKJ Greifswald -