Proteste gegen Naziaufmarsch am 8. Mai 2018 in Demmin – „Best of“ der Versammlungsrechtsverstöße durch die Polizei

Pressemitteilung vom 9. Mai 2018

Die Proteste gegen den Naziaufmarsch in Demmin am 8. Mai 2018 konnten ohne schwerwiegende Auseinandersetzungen mit der Polizei stattfinden. Dennoch kam es zu einer Reihe problematischer und rechtswidriger Polizeiaktionen. Dies ist besonders deshalb kritikwürdig, weil vergleichbare Überschreitungen in letzter Zeit häufig vorkamen und von uns bereits in vergangenen Berichten thematisiert wurden. Wiederholte Gesetzesverstöße dürfen jedoch weder innerhalb der Polizei noch bei Protestierenden zu einem Gewöhnungseffekt führen, sondern lassen Forderungen nach mehr Respekt vor der Versammlungsfreiheit nur umso wichtiger werden.

Am Dienstag, den 08. Mai 2018, protestierten viele hundert Menschen gegen einen jährlich stattfindenden Aufmarsch von Neonazis. Der Arbeitskreis kritischer Jurist_innen Greifswald dokumentierte mit fünf Beobachter_innen, ob das Recht auf Versammlungsfreiheit und weitere Vorgaben des Versammlungsrechts gewahrt wurde.1

Blockade ohne Auflösung geräumt

Gegen 20.01 Uhr setzen sich zwei Personen in der Nähe des Marktplatzes auf die Route des Naziaufmarsches. Sie wurden ohne jede Aufforderung von Polizeikräften von der Straße geräumt. Jedoch wird überwiegend davon ausgegangen, dass Zusammenkünfte schon ab zwei Personen eine Versammlung i.S.v. Art. 8 GG sind und damit der grundrechtlicher Schutz auch für sie greift. Um gegen eine solche Versammlung gefahrenabwehrrechtlich vorzugehen, ist die eindeutige und unmissverständlich geäußerte Auflösung durch die Polizei zwingende Voraussetzung. Deshalb war die Polizeimaßnahme rechtswidrig.2 Weiterhin wurde uns mehrfach und übereinstimmend berichtet, dass es in der Nähe des Bahnhofs zu einem unverhältnismäßigen Gewalteinsatz kam, als eine Demonstrantin in eine eingekesselte Sitzblockade gestoßen wurde. Zu einer rabiaten Anwendung von Gewalt kam es gegen 21 Uhr am Marktplatz, als Polizisten einen Demonstranten aus der Versammlung zerrten. Unabhängig davon, ob die gegen diesen erhobenen Vorwürfe berechtigt sind, wurden durch den Einsatz übermäßig heftig mit körperlicher Gewalt auf den Betroffenen eingewirkt sowie daneben stehende Demonstrierende beeinträchtigt, weshalb die Aktion als unverhältnismäßig einzustufen ist.

Vortragsankündigung zum Demonstrationsrecht

Eine Auffrischung im Versammlungsrecht gefällig?

Gerade bei staatskritischen Protesten kommt es oft zu Konflikten zwischen Demonstrierenden und Sicherheitsbehörden, insbesondere der Polizei. Gerade bei Großveranstaltungen fahren Staatsorgane ihren ganzen Apparat auf, wie u. a. die Erfahrungen von Heiligendamm, Castor und Blockupy zeigen.

Umso wichtiger ist es, sich darüber im Klaren zu sein, welche Rechte Demonstrierende haben und welche Handlungen strafbar sind, aber auch, was die Befugnisse und Grenzen staatlicher Repressionstätigkeit sind, welche Verhaltenstipps es dazu gibt und wie man sich dagegen wehren kann.

Vor dem G20-Gipfel in Hamburg wird der AKJ Greifswald bei zwei Veranstaltungen in Greifswald und Rostock über rechtliche Fragen rund um die anstehenden Proteste informieren. Nach einer Einführung sollen die genannten Themen anhand von Beispielen diskutiert werden. Termine:

  • Do, 29. Juni 2017 um 20 Uhr im IKuWo in Greifswald
  • Fr, 30. Juni 2017 um 19 Uhr im Peter-Weiss-Haus in Rostock

Pressemitteilung 02.05.2017: Massenhafte Freiheitsentziehungen überschatten Proteste gegen NPD-Aufmarsch in Stralsund

 Bericht des AKJ Greifswald über die Proteste gegen den NPD-Aufmarsch am 1. Mai 2017 in Stralsund.

 In Stralsund wurde am 1. Mai 2017 einem NPD-Aufmarsch mit über 200 Neonazis mit vielfältigen Protesten begegnet. Diese wurden von sieben Demobeobachter_innen des AKJ begleitet, die in drei Teams in der Stadt unterwegs waren und dokumentierten, inwieweit die Versammlungsfreiheit gewahrt wurde.1

 Die Geschehnisse am Neuen Markt

 Als besonders gravierend ist die Einkesselung von über 100 Personen im Bereich des Neuen Markts zu werten, die dort über acht Stunden festgehalten wurden. Diese bewegten sich gegen 10:17 Uhr aus der Tribseer Straße kommend auf die Mitte des Platzes zu. Dort war ein Parkverbot gekennzeichnet, das teilweise mit einem Absperrband abgegrenzt war. An dieser Stelle befanden sich ein Wagen der NPD und einige Polizeikräfte. Die Polizei drängte die Demonstrant_innen hinter das Absperrband zu einem Schnellrestaurant, wo die Gruppe schließlich eingekesselt wurde. Gegen 11:46 Uhr erfolgte die Ansage, dass die Gruppe nach einer „Vorkontrolle“ zur angemeldeten Mahnwache gehen dürfe, da der Verdacht auf Verstöße gegen das Versammlungsgesetz bestünde. Uns gegenüber wurde vom Konfliktmanagement der Polizei mitgeteilt, dass es sich dabei um Vermummungen und das Mitsichführen von Regenschirmen als vermeintliche Schutzbewaffnung handele. Gegen 11:50 Uhr bewegte sich aus der eingekesselten Versammlung eine kleinere Gruppe auf die umstellenden Polizeibeamt_innen zu. Dabei kam es zu Rangeleien und es wurde nach übereinstimmenden Berichten von Polizei und Demonstrierenden Pfefferspray eingesetzt. Gegen 12:30 Uhr wurde eines unserer Beobachtungsteams durch das Konfliktmanagement der Polizei in Kenntnis gesetzt, dass geprüft werde, ob es sich um eine Versammlung nach dem Versammlungsgesetz handele oder eine Ansammlung, auf die das Sicherheits- und Ordnungsgesetz (SOG) anzuwenden sei. Um 12:56 Uhr erfolgt die Durchsage, dass die Gruppe wegen unfriedlichen Verhaltens als Ansammlung eingestuft werde. Es werde ein Platzverweis für die gesamte Stadt Stralsund bis 24 Uhr erteilt. In der Folgezeit wurden die umstellten Personen im Bereich der Poststraße durchsucht, erkennungsdienstlich behandelt und bis ca. 18:30 Uhr am gleichen Ort in Gewahrsam gehalten.

 Rechtliche Würdigung der Polizeimaßnahmen am Neuen Markt

 Diese Maßnahmen erscheinen in mehrfacher Hinsicht als rechtswidrig. Zunächst muss ausdrücklich an den Grundsatz der „Polizeifestigkeit des Versammlungsrechts“ erinnert werden, der durch die Polizei in Mecklenburg-Vorpommern leider regelmäßig missachtet wird. Danach sind Maßnahmen nach dem SOG (wie Ingewahrsamnahmen, Durchsuchungen, Identitätsfeststellungen etc.) gegen eine Versammlung nur dann rechtmäßig, wenn diese zuvor ausdrücklich aufgelöst wurde – dies ist jedoch zu keinem Zeitpunkt geschehen. Die Gruppe erfüllte schon beim Ankommen am Neuen Markt alle Eigenschaften einer Versammlung, was zumindest durch das Tragen von Transparenten und das Rufen von Sprechchören auch für die Polizei offensichtlich sein musste. Alle von der Polizei genannten Gründe für Maßnahmen gegen die Gruppe sind schon deshalb unzureichend, weil selbst bei der Begehung von Straftaten sich Maßnahmen nur gegen Einzelpersonen richten dürfen, die diese begangen haben sollen, nicht jedoch gegen die gesamte Versammlung. Und auch angeblich unfriedliche Versammlungen genießen zwar nicht den Schutz des Grundrechts der Versammlungsfreiheit, das Versammlungsgesetz ist aber dennoch auf sie anzuwenden.

 Zudem erwiesen sich auch die einzeln genannten Gründe für die Polizeimaßnahmen als nicht tragfähig. Dass das Verhalten der Gruppe beim Erreichen des Marktes einen Blockadeversuch dargestellt haben soll – wie es die Polizei in ihrer Pressemitteilung behauptet - ist abwegig. Der Neue Markt wurde knapp drei Stunden vor Beginn der Zwischenkundgebung betreten, weshalb eine angebliche Blockade schon aufgrund des zeitlichen Abstandes fernliegend ist. Noch dazu war nur ein Bereich mit Absperrband gekennzeichnet (das an mobil aufgestellten Parkverbot-Schildern befestigt war), wodurch man durchaus vermuten konnte, wo die Kundgebung stattfinden würde, eine abschließende Festlegung aber – auch aufgrund der Weite des Platzes – nicht ersichtlich war. Desweiteren zeigte die Gruppe kein Verhalten, das auf eine Blockade hingewiesen hätte. So wurde sich insbesondere nicht hingesetzt, weshalb die wenigen Polizeikräfte vor Ort die Gruppe auch in kurzer Zeit hinter die Absperrung drängen konnten. Dies wäre bei einer angestrebten Blockade so nicht möglich gewesen.

 Auch die im Polizeibericht erwähnten festgestellten Vermummungen können als solche schon nicht zu einer Unfriedlichkeit der Versammlung führen, da es sich um rein passives Verhalten handelt, eine Versammlung aber nur bei physisch gewalttätigem Verhalten als unfriedlich anzusehen ist. Regenschirme können als Alltagsgegenstände (wie zahlreiche andere Dinge, ob Zeitung oder Plastiktüte) nicht als Passivbewaffnung eingeordnet werden, sondern nur bei konkretem Einsatz als solcher. Dies war aber bis zur Ankündigung der „Vorkontrolle“ nicht ersichtlich.

 Selbst wenn die oben beschriebene Rangelei – die ca. 1,5 Stunden nach Beginn der Kesselung stattfand – von der Polizei als Straftat gewertet wurde, so rechtfertigt dies allenfalls ein Vorgehen ausschließlich gegen die Personen, die daran teilgenommen haben sollen. Denn daran war nur ein kleiner Teil der Gruppe beteiligt. Die Unfriedlichkeit von Teilen einer Versammlung rechtfertigt aber nur ein Vorgehen gegen diese und nicht gegen die gesamte Versammlung.

 Im Übrigen ist das Erteilen von Aufenthaltsverboten unter diesen Umständen offenkundig rechtswidrig. Schon vor knapp zwei Jahren wurde eine solche Maßnahme vom Polizeipräsidium als rechtswidrig anerkannt, was auch gerichtlich bestätigt wurde. Dass dies allein schon angedroht und anscheinend sogar in Betracht gezogen wurde, spricht entweder für eine Geringschätzung des Rechts oder aber dafür, dass hier mit Nachdruck ein Grund gesucht wurde, um eine nicht erwünschte Gruppe an der Ausübung ihrer Demonstrationsfreiheit zu hindern.

 Insbesondere in Bezug auf die stundenlange Freiheitsentziehung ist zu betonen, dass diese eine gravierende Beeinträchtigung der Grundrechte der Betroffenen darstellte. Hinzu kommen Berichte Betroffener über erst spät ermöglichte Verpflegung und eingeschränkte Zugänglichkeit von Toiletten, die bei langer Dauer der Einkesselung gewährleistet sein müssen. Auch die im Polizeibericht erwähnten verbotenen Gegenstände rechtfertigen nicht, dass eine so große Versammlung über einen derart langen Zeitraum festgehalten wird.

Weitere Vorkommnisse

 Auch einige weitere Maßnahmen sind kritisch zu beurteilen. So wurde die Mahnwache an der Volkshochschule/Friedrich-Engels-Straße beim Vorbeiziehen des Naziaufmarsches um 17:28 Uhr gefilmt, was nur bei einer konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zulässig ist. Ein hinreichender Anlass war zu dem Zeitpunkt jedoch nicht ersichtlich.

 Gegen 17:00 Uhr kam es weiterhin auf der Straße An den Bleichen/Ecke Carl-von-Essen-Straße zu einem Blockadeversuch. Zwei Personen saßen auf der Demonstrationsroute, während zwei weitere direkt hinter ihnen standen. Die nach kürzester Zeit eingreifenden BFE-Einheiten missachteten auch hier das oben beschriebene Gebot, Versammlungen vor Zwangsmaßnahmen unmissverständlich aufzulösen, und drängten bzw. entfernten die Personen von der Straße. Immerhin wurde zumindest der letzten Person, die fortbewegt wurde, das beabsichtigte Vorgehen kommuniziert. Der leitende Polizist bewegte zudem den durchführenden Kollegen dazu, seinen Griff aus dem Gesicht der wegzutragenden Person zu nehmen, um damit das Verhältnismäßigkeitsgebot zu berücksichtigen.

 Wie bei vielen anderen Versammlungen fiel in mehreren anderen Situationen auf, dass die Polizei oft körperlich gegen Demonstrierende vorging (umgangssprachlich „Schubsen“ oder im Polizeivokabular „einfache körperliche Gewalt“), ohne zuvor zu kommunizieren, was von ihnen verlangt wird. Dieses Vorgehen ist nicht nur im Hinblick auf die bei Vollstreckungsmaßnahmen erforderliche Androhung problematisch, sondern auch unnötig eskalierend.

1Allgemeine Berichte zu den Geschehnissen können vielen anderen Medien entnommen werden. Die Demobeobachtung beschäftigt sich damit, ob die Grundrechte der Demonstrierenden eingehalten wurden. Zum Selbstverständnis der Demobeobachtungsgruppe siehe http://recht-kritisch.de/index.php/demobeobachtung/.

Demobeobachtung | 1. Mai Neubrandenburg

Am 1. Mai 2015 war der AKJ mit zwei Demobeobachter*innen in Neubrandenburg.

Ein Bündnis aus verschiedenen regionalen Gruppen hatte zu Gegenprotesten und Blockaden gegen die 1. Mai-Demonstration der NPD aufgerufen. Vor der angekündigten NPD-Demonstration fand eine antikapitalistische und antirassistische Bündnisdemonstration statt. Die Anreise Im Vorfeld der Proteste wurden an den Zufahrtsstraßen nach Neubrandenburg Autos und Personen von der Polizei kontrolliert. Es wurden Personalien aufgenommen und Taschen kontrolliert, was sich eventuell auf §§ 57 Nr. 6, 29 I 2 Nr. 4e) SOG M-V stützen lässt. Allerdings mussten vereinzelt auch anreisende Personen ihr komplettes Fahrzeug ausräumen und durchsuchen lassen, was wegen der Schwere des Eingriffs unverhältnismäßig ist.

Alle Personen, die mit der Bahn zu den Gegenprotesten anreisten, wurden bei ihrer Ankunft in Neubrandenburg aufgrund von Auseinandersetzungen in Stralsund in Gewahrsam genommen. Sie wurden umfassend erkennungsdienstlich behandelt, durchsucht, abgefilmt und es wurden Schals, Sonnenbrillen und Fahnen beschlagnahmt. Außerdem wurden die festgehaltenen Personen einzeln fotografiert. Trotz der niedrigen Temperatur von 10C° wurden Schals als Vermummungsgegenstände eingestuft und eingezogen. Dies ist unzulässig, weil Schals als Kleidungsstücke des alltäglichen Lebens nach § 29a VersG nur Vermummungsgegenstände darstellen, wenn die zweckwidrige Verwendungsabsicht klar zutage tritt. (BT-Drs. 11/2834 Seite 11)

Außerdem ist das Filmen von Demonstrationsteilnehmern und Menschen, die zu einer Versammlung wollen, nach §§12a,19a Vers.G nur bei einer erheblichen Gefahr für die Öffentliche Sicherheit und Ordnung zulässig. Da die Personen am Bahnhof friedlich waren und von ihnen auch keine Straftaten zu befürchten waren gab es keinen Anlass der das Filmen gerechtfertigt hätte (BVerfGE openJur 2010, 3098).

Zweifelhaft ist zudem, ob die umfassende erkennungsdienstliche Behandlung gerechtfertigt war. Auf §§ 57 Nr. 6, 29 I 2 Nr. 4e) SOG M-V wird sich diese wohl kaum stützen lassen. Sie kommen allenfalls  nach § 163b StPO in Frage, wenn die Anreisenden verdächtigt werden eine Straftat begangen zu haben oder Zeuge zu sein. Aufgrund der Auseinandersetzungen in Stralsund mag dies vielleicht möglich sein (dem AKJ liegen keine näheren Informationen vor). Es darf aber bezweifelt werden, dass die Intensität der erkennungsdienstlichen Behandlung im Hinblick auf den faktisch starken Eingriff in die Versammlungsfreiheit (die antikapitalistische und antirassistische Demonstration fing schon um 10:00 Uhr an und die Maßnahmen der Polizei dauerten bis 12:15) gerechtfertigt war. Außerdem hätten die Betroffenen nach § 163c StPO nach der Maßnahme aus dem polizeilichen Gewahrsam entlassen werden müssen. Als die Personen am Bahnhof nach über 2 Stunden wieder freigelassen wurden, zog die Gruppe zum Demokratiefest in der Innenstadt und fuhr danach wieder nach Hause.

Blockaden der Nazidemo

Nachdem um 12:10 Uhr die antikapitalistische, antirassistische Bündnisdemo vom Veranstalter aufgelöst wurde, gab es eine erste Blockade an der Einsteinstraße/Ecke Juri-Gagarin-Ring. Diese Blockade wurde um 14Uhr ohne Zwischenfälle oder Ausschreitungen geräumt. Um 14:15 Uhr wurde die Demonstration der Neonazis mit über 2 Stunden Verspätung an den Gegendemonstrant*innen vorbei in die Einsteinstraße geführt.

Im Laufe des Tages gab es immer wieder Blockaden, die nicht von der Polizei geräumt wurden oder sich selbständig wieder auflösten. Auch das passierte ohne körperliche Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Gegendemonstrant*innen. Die Versammlungsfreiheit der Protestierenden wurde respektiert.

Aufgrund der zahlreichen Blockaden wurde die NPD Demonstration noch in der Einsteinstraße wieder zurück geleitet Richtung Juri-Gagarin-Ring. Von dort aus sollte die Neonazi-Demonstration Richtung Süden laufen. An der Ecke Juri-Gagarin-Ring/Ziolkowskistr bildete sich daraufhin erneut eine Blockade. Dort kam es zu den stärksten Zusammenstößen des Tages zwischen Polizei und Gegendemonstrantinnen, als die Blockade gegen 15:30 Uhr teilweise geräumt wurde. Die Polizei setzte dabei Schlagstöcke ein und verhinderte die Versorgung von verletzten Gegendemonstrantinnen, was nach § 105 SOG-MV unzulässig ist.

Dabei wurden mehrere Personen festgenommen.

Die NPD Demonstration wurde vom Veranstalter um 16:15 Uhr aufgelöst.

Am Bahnhof kam es nach den Protesten zu einer Auseinandersetzung zwischen Neonazis und Gegendemonstrant*innen, woraufhin ein Gegendemonstrant festgenommen wurde.

Alle 8 Gegendemonstrant*innen, die festgenommen wurden, sind schon am selben Abend wieder freigelassen worden.

Demo-Bericht von den Anti-Nazi-Protesten am 23.3.2013 in Güstrow

Mit einiger Verspätung erscheint nun der Demo-Bericht von den Protesten gegen den NPD-Aufmarsch in Güstrow am 23.3.2013, zu denen zahlreiche Initiativen wie das Bündnis "Rassisten stoppen", der DGB, die Kirche und Parteien aufgerufen hatten. Da die Situation an jenem Tag aber ohne größere Auseinandersetzungen blieb, sind folgende Notizen ohnehin eher als Randbemerkungen zu einer friedlichen und entspannten Veranstaltung zu verstehen. Die allgemeinen Geschehnisse wurden schon hinreichend, etwa beim NDR und KomFort, beschrieben

Kurz vor 9 Uhr kam erreichten mit dem Greifswalder Bus die ersten Demonstrierenden den Stadtteil Güstrow-Dettmannsdorf, in dem die Nazis demonstrieren sollten. Kurz darauf erreichten die ersten Polizeikräfte die aus ca. 40 Menschen bestehende Gruppe, die daraufhin zu erkennen gab, dass sie zur angemeldeten Mahnwache am jüdischen Friedhof wollte. Die Polizeikräfte waren damit zuerst nicht einverstanden, da sie anscheinend nicht wussten, dass das OVG Greifswald spät am Vorabend das vom Landkreis ausgesprochene Verbot aufgehoben hatte. Dies ist jedoch in erster Linie dem Landkreis vorzuwerfen, der ohne hinreichende Gefahrenprognose und unter Verkennung des Rechts auf Protest in Sicht- und Hörweite den legitimen Protest gegen den Naziaufmarsch verhindern versuchte.

Kurze Zeit später erreichte eine weitere, größerere Gruppe den Stadtteil und ließ sich unweit der Mahnwache auf der Neukruger Straße zu einer Sitzblockade nieder. Dies geschah – soweit von unserem Standpunkt ersichtlich – mit nur geringem körperlichem Kontakt zur Polizei, die auch später, als sich weitere Menschen von der Mahnwache aus anschlossen, sich mit dem Einsatz von Zwangsmitteln zurückhielt. Diese Strategie der Deeskalation ist zu begrüßen, wurden doch friedliche Sitzblockadeversuche etwa in Wismar ein halbes Jahr zuvor noch heftig angegangen.

Die Sitzblockade, die nie akut von einer Räumung bedroht war und den Nazis einen Teil ihrer Route abschnitt, blieb zusammen mit der Mahnwache die einzig größere Versammlung der Protestierenden im Aufmarschgebiet. Kritisch anzumerken ist lediglich, dass die Polizei mit einer kaum durchschaubaren Strategie versuchte, die Blockade von der Mahnwache zu trennen. Manche Leute wurden problemlos durch eine lose Polizeikette hindurch zu anderen Versammlung, andere mussten ihre Personalien abgeben, wurden gar nicht durchgelassen oder erhielten einen Platzverweis.

Insbesondere das Erteilen von Platzverweisen an Menschen, die sich bloß zum Urinieren unweit der Blockade begaben, ist ein inakzeptabler Eingriff in die Versammlungsfreiheit, selbst wenn es eine anschließende Rückkehrmöglichkeit gab. Denn solange eine Versammlung, die wie die Sitzblockade unter den Schutz des Art. 8 GG fällt, nicht aufgelöst ist, darf die Polizei nicht mit sog. Standardmaßnahmen wie Platzverweisen gegen die Teilnehmenden vorgehen. Dies gilt insbesondere im vorliegenden Fall, denn ein Vor-die-Wahl-stellen nach dem Motto „entweder Wahrnehmung staatsbürgerlicher Recht oder Erfüllung menschlicher Bedürfnisse“ wird dem umfassenden Schutz der Versammlungsfreiheit nicht gerecht. Aber auch nach nach Auflösung der Versammlung wären Platzverweise im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Versammlung nicht statthaft, was eigentlich auch in der einschlägigen Polizei-Ausbildungsliteratur beschrieben wird (vgl. Brenneisen/Wilksen, Versammlungsrecht, Verlag Deutsche Polizeiliteratur GmbH, 4. Aufl. 2011, S. 375).

Dies blieben jedoch die einzigen juristisch erwähnenswerten Vorkommnisse, die die AKJ-Demobeobachtung machte. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass der Tag weitestgehend zufriedenstellend verlief und nur in einzelnen Punkten Nachbesserungsbedarf besteht.

Demobeobachtung Lubmin-Castor 12/2010

Vom 14. bis 16.12.2010 fand ein Castortransport aus dem französischen Cadarache ins Zwischenlager Nord bei Lubmin statt. Zu diesem Anlass wurden zahlreiche Protestveranstaltungen organisiert. Der AKJ (Arbeitskreis Kritischer Jurist_innen) Greifswald begleitete einige dieser Veranstaltungen mit De­mobeobachtungsteams.

Auftaktdemonstration am 11.12.2010 in Greifswald

Das Antiatombündnis Nordost veranstaltete am 11.12. ein Auftaktdemonstration gegen die Castortransporte ins Zwischenlager Nord. Gegen 13.30 Uhr begann sie mit einer Kundgebung auf dem Bahnhofsvorplatz in Greifswald. Ab 14.30 Uhr startete der Aufzug mit ca. 3000 Demonstrant_innen, der die Altstadt umrundete und ca. um 15.30 Uhr wieder am Bahnhof ankam, wo auch die Ab­schlusskundgebung stattfand. Der AKJ war mit drei Teams à drei Leuten vor Ort.

Die Demonstration verlief, wie von Veranstalter_innen und Polizei erwartet, durchgehend friedlich.

Auch das Polizeiverhalten war weitestgehend angemessen. Während der Auftakt- und Schlusskundgebung hielten sich die Polizeikräfte sehr im Hintergrund. Bei der Demonstration liefen mehrere Polizeigruppen in größeren Abständen am Rand mit, verhielten sich aber zurückhaltend.

Die Straßen Richtung Innenstadt waren meist durch Polizeiketten gesichert, auch waren größere Kontingente in der Stadt anwesend, so zum Beispiel mehrere Wasserwerfer. Einige Beamte führten gut sichtbar Behälter mit sich, in denen sich vermutlich Pfefferspray befand. Zeitweise wurde die Demo mittels eines Hubschraubers überwacht. Angesichts der – auch schon im Voraus erwarteten – Friedlichkeit der Demonstration und im Vergleich zu ähnlichen Veranstaltungen andernorts erscheint ein solches Polizeiaufgebot teilweise übertrieben und einschüchternd. Auch wenn massiver Polizeieinsatz bei derzeitigen Demonstrationen überaus häufig vorkommt, sollte dies nicht der Normalfall sein. Gerade bei Anti-Atomkraft-Protesten, die zu einem großen Teil von Familien mit Kinder getragen werden, sollte die Anzahl der Polizeikräfte dem zu erwartenden Konfliktpotential entsprechen. Und ein großes Polizeiaufgebot kann gerade bei Familien und älteren Personen eine abschreckende Wirkung haben und sie so von der Teilnahme an der Demonstration und somit der Ausübung ihrer verfassungsmäßig garantierten Versammlungsfreiheit abhalten.