31.5. Prozess gegen Castorgegner in Greifswald

Hier der weitergeleitete Aufruf zum Besuch einer Gerichtsverhandlung:

Am 31. Mai steht ein Castorgegner in Greifswald vor dem Amtsgericht. 13 Uhr, Saal 10. Er beteiligte sich beim Dezember Castor an einer Kletteraktion zusammen mit anderen Robin Wood AktivistInnen bei Stilow Siedlung. 3 Aktivist_innen gelang es, Bäume zu erklimmen. Der Rest der Versammlung wurde von der Polizei gesprengt. Ein Demonstrant wurde dabei von der Polizei übel misshandelt.

Und nun steht er vor Gericht.... er soll Widerstand geleistet haben... Der Aktivist hat seinerseit Klage zur Feststellung der Rechtswidrigkeit seiner Ingewahrsamnahme eingereicht. Das Gericht hat es aber nicht eilig, eine Entscheidung zu treffen (Das Amtsgericht Wolgast will die Sache an das Verwaltungsgericht Greifswald abgeben, der Kompetenzstreit sorgt für Verzögerung in der Bearbeitung der Klage). Obwohl Widerstand gegen Vollstreckungsbeamter nur dann streitbar ist, wenn die polizeiliche Amtshandlung rechtmäßig war, wurde der Prozess gegen den Aktivisten auf den 31. Mai - also vor einer Entscheidung über die Rechtmäßigkeit einer Ingewahrsahmnahme - festgelegt. Verhandelt wird über den Widersrpuch gegen einen Strafbefehl von 30 Tagessätzen. Vor Erlaß des Strafbefehls haben sich Staatanwaltschaft und Richter die Frage der Rechtmäßigkeit des Polizeieinsatzes nicht ein mal gestellt.

Ein Bericht über die Aktion beim Dezember Lubmincastor habe ich geschrieben: http://www.eichhoernchen.ouvaton.org/deutsch/anti-atom/Luftakrobatik-Atomtransporte.html#Lubmin_2010

Unterstützung am 31.5. in Greifswald erwünscht! Der Prozess ist öffentlich.

Wieder Post: Diese Woche zum Dezember-Castor 2010

Nachdem die Rote Hilfe und wir letzte Woche zahlreiche Anfragen bzgl. Verfahren zum 1. Mai 2011 erhielten (falls ihr Briefe bekommt: bitte hier melden), bekamen diese Woche einige Leute, die letzten Dezember kurz vor Lubmin gegen den Castor-Transport protestierten, Post von der Bundespolizei.

Aufgrund der hohen Zahl der Betroffenen und dementsprechend der Anfragen hier eine Einordnung der Briefe:

Was bedeutet „Verwarnungsgeld“?

In den Briefen wird euch mitgeteilt, dass für eine begangene Ordnungswidrigkeit ein Verwarnungsgeld in Höhe von 25 Euro festgesetzt wird. Das heißt, dass die Polizei eure Handlung als geringfügige Ordnungswidrigkeit einordnet, zu deren Ahndung ein kleiner Geldbetrag ausreicht. Sollten die von der Polizei erhobenen Vorwürfe zutreffen, dann ist an der Bewertung als Ordnungswidrigkeit und der Verhängung eines Verwarnungsgeldes für den unbefugten Aufenthalt innerhalb der Gleise rechtlich nichts auszusetzen.

Sie hätte das Verfahren zwar einerseits auch komplett einstellen, andererseits aber auch ein förmliches Bußgeldverfahren durchführen können. Das liegt ganz in ihrem Ermessen. Mit dem jetzigen Weg sollen sowohl den Betroffenen als auch der Verwaltung Kosten erspart werden.

Da Sitzblockaden als Akt des zivilen Ungehorsams gerne mit anderen kleineren Ordnungswidrigkeiten verglichen werden: Ein Verwarnungsgeld von 25 Euro erhält zum Beispiel auch, wer außerorts mit dem Auto 11-15 km/h zu schnell fährt oder im Fahrraum von Schienenfahrzeugen parkt. So schätzt die Polizei also euer Verhalten ein.

Was gibt es jetzt für Möglichkeiten?

Es gibt natürlich die Möglichkeit, auf den Brief überhaupt nicht zu reagieren. Dann gilt das „Angebot“ des Verwarnungsgeldes als abgelehnt und die Behörde kann ein formales Bußgeldverfahren durchführen. Dabei kann die Polizei den Grundbetrag erhöhen (und tut dies in der Regel auch) sowie zusätzliche Kosten geltend machen, also Gebühren für den Verwaltungsaufwand und die Zustellung. Dadurch wird der zu zahlende Betrag wohl mindestens verdoppelt.

Gerade bei Massenverfahren kann es sein, das bei koordinierter Verweigerung die Polizei das Verfahren aber aufgrund des hohen Aufwandes einstellt. Denn das förmliche Bußgeldverfahren verursacht auch bei ihr erhebliche Kosten. Allerdings ist das keinesfalls zwangsläufig so; das Verfahren kann auch ganz regelkonform durchgezogen werden. Außerdem setzt eine Verweigerung ein gewisses Maß an Organisation der Betroffenen voraus. Davon kann jedoch leider wegen der (erfreulichen) vielfältigen Herkunft der am Protest Beteiligten nicht ausgegangen werden.

Unser (ungewöhnlicher) Tipp: Zahlen

Auch wenn wir der Auffassung sind, dass legitime Formen des zivilen Ungehorsams nichts kosten sollten und gehofft haben, dass die stundenlange Ingewahrsamnahme bei eisigen Temperaturen schon eine für den Staat befriedigende Machtdemonstration gewesen ist, ist es in der jetzigen Situation schwierig, sich gegen die Zahlungsaufforderung zu wehren. Der Staat hat rechtlich die Möglichkeit noch mehr zu verlangen, sodass es sinnvoll erscheint die 25 Euro zu zahlen. Falls ihr meint, das würde einer Unterwerfung unter Staatswillkür oder die Atomlobby gleichkommen und wäre „kompromisslerisch“, haben wir Verständnis dafür. Wir glauben aber, dass sich dieses Verwarnungsgeld nicht für Machtproben mit der Staatsgewalt eignet.

Einige werden das Verwarnungsgeld vielleicht verschmerzen können; und all diejenigen, für die die Begleichung eine Härte darstellen würde, sollen sich auf jeden Fall an die Rote Hilfe wenden und werden dann unterstützt. Weitere Soli-Aktionen (auch für den zweiten Castor und den 1. Mai) sind geplant, sodass ihr auch finanziell nicht allein gelassen werdet.

Was passiert, wenn ich die 7-Tagesfrist verstreichen lasse?

In dem Brief werdet ihr aufgefordert, innerhalb von sieben Tagen 25 Euro zu bezahlen. Wenn ihr das macht, ist die Sache zwischen euch und dem Staat geregelt und hat sich damit erledigt. Rein rechtlich muss das Geld am siebten Tage, nachdem ihr den Brief in eurem Briefkasten hattet, auf dem angegebenen Konto eingegangen sein. Falls ihr zu spät dran seid, könnte das als Ablehnung des polizeilichen „Angebots“ angesehen werden. Allerdings haben die Behörden auch die Möglichkeit, die Frist zu verlängern oder können bei Zahlungseingang die Sache (auch stillschweigend) akzeptieren. Wegen ein oder zwei Tagen wird sich die Polizei kaum den Stress einhandeln, eine aufwändiges Verfahren einzuleiten. Falls ihr die Frist bewusst verstreichen lasst, gilt das eben als Ablehnung (s.oben).

AKJ-Wochendende am 20. -22. Mai im Ökohaus Spechtwald (Buddenhagen)

Es ist nun endlich soweit, nächstes Wochenende findet das langersehnte AKJ-Wochenende statt.

Alle Jura-Studierende sind herzlich eingeladen, an diesem Wochenende den AKJ kennenzulernen (für die bisher Nicht-Aktiven), mal wieder ein wenig Zeit gemeinsam zu verbringen (für die "Schläfer_innen") und (alle) gemeinsam darüber reden was es mit diesem komischen Haufen eigentlich so auf sich hat, bzw. in Zukunft so auf sich haben soll ;-) -das Ganze verfeinert mit lekker Essen, lustig Spiele spielen, lange verhocken,..........

Genaueres im Flyer

Anmeldungen bitte an: akj-greifswald@systemausfall.org

Interessierte können (wie immer) gern auch am Mittwoch um 20.00 zur CriticalBar im Klex kommen...

Briefe zum 1. Mai

Nachdem die Polizei schon am 1. Mai teilweise durch unangemessene Maßnahmen aufgefallen ist, setzte sie diese Woche noch einen drauf und verschickte zahlreiche Briefe an Personen, die an Sitzblockaden in der Hertzstr. teilgenommen haben sollen. Darin werden die Betroffenen darüber informiert, dass ihnen eine Straftat gem. § 21 VersammlG und § 240 StGB zu Last gelegt wird. Sie werden darum gebeten, sich dazu zu äußern.

Daraufhin erhielten der AKJ Greifswald und die Rote Hilfe Greifswald viele Anfragen, wie darauf zu reagieren sei, sodass wir mit folgender Einschätzung vielleicht eine Hilfestellung geben können:

Zunächst einmal: Ruhe bewahren!

Die Polizei teilt lediglich mit, dass sie ein Ermittlungsverfahren wegen einer Straftat eingeleitet hat. Dies hat noch keinerlei nachteilige Folgen für euch und ist sehr weit entfernt von einer (unrealistischen) Verurteilung durch ein Gericht. Als nächstes leitet die Polizei all ihre „Erkenntnisse“ an die Staatsanwaltschaft weiter, die dann darüber entscheidet, ob sie das Verfahren – ggf. gegen Auflagen – einstellt (Einstellungen werden auf jeden Fall nicht ins Bundeszentralregister eingetragen!) oder Klage erhebt. Wie lange das dauert, lässt sich nicht genau sagen, aber es vergeht in der Regel doch einige Zeit bis ihr das nächste Mal etwas von öffentlicher Stelle hört. Spätestens wenn diese Entscheidung für euch nachteilig ist, solltet ihr euch um professionelle Hilfe (z.B. über die Rote Hilfe) bemühen.

Doch selbst dann entscheidet das zuständige Gericht erst einmal, ob es das Hauptverfahren überhaupt eröffnet. Und wenn es soweit kommen sollte, können alle Aussagen – am besten in Absprache mit einem Rechtsbeistand – nachgeholt werden. Deshalb:

Es besteht kein Grund, sich irgendwie zur Sache zu äußern!

Auch wenn der erhobene Vorwurf völlig überzogen ist und wütend machen kann, ist eine Widerlegung dieses Vorwurfs zu diesem Zeitpunkt eher verlorene Mühe und kann gefährlich sein. Dass die Polizei in Sitzblockaden, von denen keine Eskalation ausgeht, eine Nötigung sieht, erscheint wie ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten und wird heutzutage vor Gericht keinen Bestand haben. Aber da über die Strafbarkeit Gerichte entscheiden, braucht ihr das nicht irgendwelchen Strafwütigen bei der Polizei zu erläutern. Selbst wenn der Vorwurf falsch ist, kann eine Aussage die Person selbst oder Dritte durch andere Aspekte belasten, und jede Information ist verwertbar. Also:

Auf dem Antwortbogen: Zumindest die Abschnitte II und III leer lassen

Ihr seid rechtlich in keiner Weise verpflichtet, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Auch Aussagen zu euren „persönliche Verhältnissen“ sind unnötig. Die Polizei braucht nicht wissen, ob ihr Auto fahren dürft oder wo euer Ehegatte geboren ist. Und wie gesagt: alles Nötige kann noch später gesagt werden. Wenn ihr euch dazu entscheiden solltet Abschnitt I auszufüllen, dann braucht ihr eure Unterschrift aber nicht – wie von der Polizei gewollt – in das Feld zu den Sachaussagen setzen; denn da stehen nur freiwillige Angaben drin und die können euch ja egal sein.

Wie mit den „Pflichtangaben zur Identitätsfeststellung“ umgehen?

Unter I. werdet ihr aufgefordert, eure Personalien anzugeben und belehrt, dass eine Verweigerung eine Ordnungswidrigkeit sei. Dazu ist zunächst zu sagen, dass diese Vorschrift rechtlich äußerst umstritten und rechtsstaatlich zweifelhaft ist. Grundsätzlich müssen Beschuldigte zunächst einmal gar keine Aussagen machen, und das gilt insbesondere dann, wenn die Angaben der Polizei bereits bekannt sind (sie haben ja offensichtlich eure Adresse und dürften von vielen Leuten durch Fotografieren des Personalausweises genau wissen, wer sie sind). Was ihnen die evtl. fehlende Angabe zum Beruf für das Ermittlungsverfahren bringen soll, ist nicht ersichtlich. Es wurde schon obergerichtlich festgestellt, dass die Verweigerung der Rücksendung eines Anhörungsbogens keine Ordnungswidrigkeit darstellt, wenn die erforderlichen Angaben bereits bekannt sind, sodass es gute Gründe gibt gar nicht zu reagieren.

Dennoch wird von einigen Behörden und Gerichten eine Verweigerung der Personalienangabe als Ordnungswidrigkeit angesehen und mit Bußgeld geahndet. Die Polizei hat sich ja durch die schnelle Versendung der Briefe schon als sehr repressiv gezeigt, sodass ihr euch mit einer kompletten Weigerung der Absendung des Anhörungsbogens zusätzlich (finanziell und zeitlich – nicht, was den Vorwurf angeht) belasten könntet. Um euch das zu ersparen, könnt ihr also den Abschnitt I ausfüllen. Zumindest von der Angabe der Telefonnummer ist allerdings dringend abzuraten, wenn ihr nicht durch lästige Fragen am Telefon genervt werden wollt – denn von einer Weigerung der Telefonnummernangabe steht nichts im Ordnungswidrigkeitengesetz!

Abschließend: Nicht einschüchtern lassen!

Auch wenn die Vorwürfe ziemlich heftig sind, gibt es keinen Grund, vor der Drohkulisse nervös zu werden. Zum einen betrifft das die rechtliche Einordnung der Vorwürfe, zum anderen aber auch das öffentliche Interesse an einer Verfolgung rechtswidriger Handlungen. Nach dem 1. Mai haben sich ja die Stadt und der Innenminister durchaus positiv über den Verlauf des Tages geäußert, und selbst die Polizei hat nicht über vermeintlich „gewalttätige Gegendemonstranten“ gejammert, wie sie das sonst zu tun pflegt (wahrscheinlich weil es am 1. Mai in den eigenen Reihen genug „schwarze Schafe“ gab). Vielleicht gibt es die ein oder andere Person bei der Polizei, für die harte Repression unter allen Umständen wichtig ist, aber das politische Klima sieht momentan anders aus. Je mehr Leute sich mit dem Thema befassen, desto eher wird sich die Ansicht durchsetzen, dass die Aktionen am 1. Mai ziemlich gut oder zumindest nicht so schlimm waren.

Mobiler Studiengang zur Feministischen Rechtswissenschaft Schwerpunkt Antidiskriminierung

Der  AKJ-Greifswald organisiert am 14.05.2011 zusammen mit dem Interdisziplinären Zentrum für Frauen- und Geschlechterstudien der Universität Greifswald einen Mobilen Studiengang zur Feministischen Rechtswissenschaft mit dem Schwerpunk Antidiskriminierung.

Anmeldung unter: akj-greifswald@systemausfall.org![]()

Ablauf Sa. 14.05.2011

9:30 – 9:45 Begrüßung

9:45 – 11:00 Privilegientest

11:00 – 11:15 Pause

11:15 – 12:45 Workshop I

Was ist Diskriminierung? Was ist Rassismus? Zur ambivalenten Rolle des Rechts.

12:45 – 14:15 Mittagspause

14:15 – 16:15 Workshop II

Die Frau mit dem Kopftuch. Eine amerikanische Debatte.

16:15 – 16.30 Pause![]()

16:30 – 18:00 Workshop III

Mit Recht gegen rassistische Diskriminierung?

18:00 Abschluss

Die Workshops finden im Fakultätsgebäude der Rechtswissenschaftlichen Fakultät in der Domstraße 20, SR109, statt.

Mit dem Mobilen Studiengang wollen die Autorinnen und der Autor des Studienbuches zur Feministischen Rechtswissenschaft, das 2006 im Nomos-Verlag erschienen ist, die Feministische Rechtswissenschaft an die Fakultäten bringen, an denen sie normalerweise nicht auf dem Lehrplan stehen.

Der Mobile Studiengang zur Feministischen Rechtswissenschaft mit dem Schwerpunk Antidiskriminierung richtet sich vor allem an die Studierendenschaft der Universität Greifswald und setzt keine spezifischen Kenntnisse voraus. Der Studiengang beinhaltet einen Privilegientest und drei Workshops für je 15-20 Teilnehmer_innen. Für Studierende der Universität Greifswald ist die Teilnahme an den Workshops kostenlos. Geleitet werden die Workshops von Doris Liebscher (Antidiskriminierungsbüro Sachsen) und Lena Foljanty (Referendarin am Landgericht Frankfurt-am-Main).

Der Studiengang wird vom Arbeitskreis Kritischer Jurist_innen Greifswald und vom Interdisziplinären Zentrum für Frauen- und Geschlechterstudien der Universität Greifswald organisiert und vom Fachschaftsrat Jura und der Universität Greifswald unterstützt.

Bericht zum Vortrag: Hartz IV - Recht, Willkür Hilfslosigkeit

Auf Einladung des AKJ Greifswald hielt die Sprecherin der Bürgerinitiative „Hartz IV Plattform“, Brigitte Valenthin am 19. April 2011 einen Vortrag über die systematische Hilfeverweigerung und das nötigende „Unter-Druck-Setzen“ der Leistungsberechtigten nach dem Sozialgesetzbuch durch deutsche Sozialbehörden und Sozialgerichte. Frau Valenthin leitete den Vortrag ein, indem sie die Titelzeile des Leitartikels der „BILD-Zeitung“ vom 19.04.2011 verlas, in welchem Leistungsberechtigte unter anderem als „Verprasser“ und Straftäter diffamiert wurden. Im Folgenden stellte Frau Valenthin kurz ihren Werdegang vom Engagement im Umweltschutz und der Anti-Atomkraftbewegung zum Widerstand gegen die Sozialleistungsgesetzgebung vor. Im weiteren Verlauf stellte Frau Valenthin die Grundsätze der Sozialgesetzgebung aus §1 SBG I in einen Bezug zur Realität und stellte auf diese Weise klar, dass insbesondere das im Gesetz verbrieft Recht auf ein menschenwürdiges Dasein sowie die Chancengleichheit in der Realität nicht gewährleistet sind. Sie verdeutlichte, dass die Hartz-IV-Gesetzgebung weniger eine soziale Hilfe für die Betroffenen, sondern vielmehr ein „Kosteneinsparprogramm“ ist. Um dies zu verdeutlichen, schilderte sie auf sehr eindrückliche Weise einige Fälle, in denen es zu ungerechtfertigten Sanktionen gegenüber Leistungsberechtigen kam. In einem Fall sollte ein Dialysepatient wider eines fachärztlichen Gutachtens eine Arbeitstätigkeit annehmen, die er aufgrund seiner körperlichen Verfassung jedoch unmöglich wahrnehmen konnte. In diesem Fall steht das Urteil des Sozialgerichtes noch aus. Frau Valenthin ging weiterhin auf die tiefgreifenden Änderungen ein, die nach dem sog. „Hartz-IV-Urteil“ des BVerfG Eingang in die Sozialgesetzgebung fanden. Nach Frau Valenthins Ausführungen stellen die Gesetzesänderungen eine klare Benachteiligung der Leistungsberechtigten dar, denn es wurden diverse Dinge im Gesetz festgeschrieben, über welche die Sozialgerichte zuvor im Einzelfall unter Umständen zugunsten der Beteiligten urteilen konnten. Allerdings thematisierte Frau Valenthin nicht ausschließlich die Seite der Leistungsberechtigten. Sie lobte ausdrücklich das freiwillige Engagement einer kleinen Minderheit von Sachbearbeiter_innen, die selbstständig die vorhandenen Spielräume ausnutzen, um den Leistungsberechtigten ein möglichst menschenwürdiges Leben zu ermöglichen, was leider häufig nicht zutrifft. Außerdem lobte sie die Sozialgerichte, die häufig das ungerechtfertigten Beschlüsse der Sozialbehörden kassierten und so den Leistungsberechtigten nachträglich doch noch zu ihrem Recht verhalfen. Das Fazit von Frau Valenthin fiel allerdings weniger positiv gegenüber den Sozialbehörden aus. Sie betonte ausdrücklich, dass wohlmeinende Sachbearbeiter_innen die absolute Ausnahme seien. Sie führte aus, dass die Sozialbehörden ihren Mitarbeiter_innen klare Anweisungen an die Hand geben, nach welchen den Leistungsberechtigten nur das absolut allernötigste zuzugestehen sei. Im Anschluss an den Vortrag gab es noch eine kurze Diskussion, welche insbesondere zum Thema hatte, ob das Ausschlaggebende am Unrecht um die Hartz-IV-Bezüge die Höhe der Bezüge sei oder nicht vielmehr die Willkür und Demütigung durch Behörden und Bürokratie. Thematisiert wurden hier besonders die umfassenden Forderungen der Behörden nach Nachweisen über die finanzielle und familiäre Situation der Leistungsberechtigten. Die Diskussion kam zu dem Ergebnis, dass insbesondere Letzteres ursächlich für die Entwürdigung der Leistungsberechtigten ist und kam hier mit den Zielen der Hartz-IV-Plattform überein, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen diese Probleme wenigstens mildern könne. Wir bedanken uns ganz herzlich bei Frau Vallenthin und der Rosa Luxemburg Stiftung M-V, welche die Veranstaltung unterstützt hat. Der Live-Mitschnitt wurde auf Wunsch von Frau Vallenthin vom Netz genommen!