Bunt, friedlich, überwacht – Anti-Atom-Demo in Greifswald am 12.02.2011.

Am 12. Februar fand eine Anti-Atom-Demonstration in Greifswald statt. Rund 2.000 Menschen versammelten sich, um gegen die angekündigten Atommüll-Transporte zu protestieren. Viele Kinder. Viel Sonne. Viele Luftballons. Nur eine Tatsache warf einen Schatten über den friedlichen Zug durch die Altstadt – die zweifelhaften Bildaufnahmen der Polizei- und (vermutlich) der Ordnungsbeamt_innen, welche bei vielen Demonstrierenden ein Gefühl erweckten, etwas Unerlaubtes gemacht zu haben. Nicht zum ersten Mal kritisieren wir dieses Verhalten der Beamt_innen (Link http://www.akj-greifswald.co.de/?page_id=254), und wollen diese Kritik mit folgenden Ausführungen unterstützen:

Eine Demonstration ist als eine Versammlung unter freiem Himmel anzusehen. Sie fällt unter den Schutz der Versammlungsfreiheit, die vom Art. 8 des Grundgesetzes geschützt und allen Deutschen garantiert ist. Die aus Art. 8 GG resultierende Versammlungsfreiheit kann lediglich durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden. Das heißt, jeder Eingriff in die Versammlungsfreiheit bedarf einer Rechtsgrundlage. Außerdem darf ein Eingriff nur dann ausgeübt werden, wenn er einen bestimmten Zweck verfolgt, für die Erreichung dieses Zweckes geeignet ist, wenn es kein gleich effektives milderes Mittel gibt und wenn er angemessen ist.

Die Demonstration am 12. Februar verlief ruhig und sehr friedlich. Dennoch waren die Polizei- und Ordnungsbeamt_innen nicht nur mit der Bewahrung der Ordnung und des Friedens beschäftigt. Bereits am Anfang der Versammlung ist ein Zivilpolizist am Greifswalder Marktplatz durch das Aufnehmen der Versammelten mit Hilfe einer Digitalkamera aufgefallen (1). Dem folgten die Bildaufnahmen eines weiteren Polizeibeamten (2) und (vermutlich) eines Angestellten des Ordnungsamtes (3). Das war leider nicht alles. Auf dem Zwischenhalt des Demonstrationszuges auf dem Bahnhofplatz wurden die Demonstrierenden von einem Polizisten wiederholt fotografiert (4). An der Kreuzung Gützkowerstr. und Goethestr. machte ein Beamter „Übersichtsaufnahmen“ von den vorbeigehenden Demonstrant_innen (5). Sogar aus dem Polizeigebäude in der Brinkstr. wurde die Demonstration aufgenommen (6).

Na und?“ fragt sich da manche_r Demonstrierende_r. „Wir machen doch auch Fotos.“ Der Unterschied zwischen den Versammelten und der Polizei ist jedoch groß. Es fängt bereits damit an, dass die Beamt_innen die Demonstrationsaufnahmen nicht dafür machen, um später die Bilder zur Erinnerung an die Wand zu hängen. Was wollten die Behörden mit den Fotoaufnahmen bezwecken? Waren sie rechtmäßig?

Eine Bildaufnahme der Polizei- und Ordnungsbeamt_innen von einer friedlich verlaufenden Versammlung ohne Einverständnis der Teilnehmer_innen stellt einen Eingriff in deren Grundrecht auf Versammlungsfreiheit dar und bedarf somit einer Rechtsgrundlage. Denn wenn die Versammelten damit rechnen müssen, dass ihre Anwesenheit oder ihr Verhalten bei einer Veranstaltung von den Einsatzbeamt_innen registriert wird, könnte sie dies von einer Teilnahme abschrecken oder sie entgegen ihrem Willen zu einem bestimmten Verhalten zwingen, um den Polizeibeamt_innen gerecht zu werden. Durch diese Einschüchterung der Teilnehmenden könnte auf den Prozess der Meinungsbildung sowie demokratischen Auseinandersetzung eingewirkt werden. Dies würde nicht nur die Entfaltungschancen des bzw. der Einzelnen beeinträchtigen, sondern auch das Gemeinwohl, weil die Selbstbestimmung eine wesentliche Grundbestimmung eines funktionierenden freiheitlich-demokratischen Staates ist.

Des Weiteren stellen die Bildaufnahmen einer friedlich verlaufenden Versammlung durch Polizei- und Ordnungsbeamt_innen einen Eingriff in das Recht der Demonstrant_innen auf informationelle Selbstbestimmung dar, das von Art. 2 Abs. 1 i.V.m Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes gewährleistet ist. Dieses Grundrecht befugt eine Person selbst zu entscheiden, wann und wie ausführlich ihre persönlichen Daten offenbart werden. Die Fotoaufnahmen der Beamt_innen ermöglichen, zumindest aus der Sicht der Teilnehmer_innen, eine Sammlung von Daten. Ihre Speicherung und Auswertung stellt eine Erhebung der personenbezogenen Daten dar. Dies bedeutet eine faktische Beeinträchtigung des Grundrechtes auf informationelle Selbstbestimmung.

Die Berufung der Polizei auf §12 a Abs.1 i.V.m. §19 a Versammlungsgesetzes kann nicht Stand halten, denn die Polizei darf Bild- und Tonaufnahmen von Teilnehmer_innen bei oder im Zusammenhang mit öffentlichen Versammlungen nur anfertigen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass von ihnen erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehen. Dies war während der Demonstration in Greifswald nicht zu beobachten.

Der Rückgriff der Polizei auf das Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern zur Einschränkung der Versammlungsfreiheit wäre in diesem Fall nicht möglich, weil dieses lediglich zum Schutz der Versammlung oder als milderes Mittel gegenüber einer tatbestandlich zulässigen Auflösung möglich ist. Anhaltspunkte dafür waren aber auch nicht gegeben.

Demzufolge waren die Fotoaufnahmen der Beamt_innen während der Anti-Atom-Demonstration am 12.02.2011 in Greifswald rechtswidrig.

Erste Eindrücke vom Castor-Transport

Hier die ersten Auffälligkeiten der Beobachtung der Protestaktionen gegen den Castor-Transport ins Zwischenlager Nord, die in der Nacht vom 16. auf den 17.2. zwischen Greifswald und Lubmin stattfanden:

  • Die von der Mahnwache Kemnitz in Richtung Schiene gehenden Aktivist_innen wurden von einem Teil der eingesetzten Polizeikräften mit massiver Gewalt gestoppt. Über das "normale" Schubsen hinaus wurden den Castorgegner_innen durch heftige Tritte von hinten in die Beine oder gezielte Schläge gegen den Kehlkopf zu Fall gebracht. Ein Aktivist blutete nach Schlägen heftig aus der Nase.
  • Diejenigen, die zur Mahnwache zurückgingen, wurden dort eingekesselt. Für einige Zeit kam niemand (auch nicht als Einzelperson) heraus, obwohl es sich um eine angemeldete Versammlung handelte.
  • Der Gewalteinsatz der Polizei gegen eine von Brünzow losgehende Gruppe war angemessen. Allerdings wurde die Gruppe eingekesselt und verkündet, ihr werde die Freiheit entzogen. Erst nach einigen Minute gab ein Polizist zu erkennen, dass es sich wohl um eine Versammlung handele und wieder einige Minuten später wurde bekannt gegeben, dass die Gruppe auch zu einer Mahnwache gehen dürfe.
  • Von der Räumung der Sitzblockade der Kemnitzhäger Gruppe wurden keine Probleme gemeldet.
  • Die Polizei hielt Aktivist_innen nach Durchfahrt des Castortransportes noch 30  Minuten in Gewahrsam, obwohl sie unverzüglich hätten freigelassen werden müssen
  • Bei Kemnitzerhagen wurde ein Sanitäter festgesetzt und erst auf Intervention des AKJ und hinzukommen der Presse freigelassen
  • Die Polizei war teilweise schlecht informiert: mehrfach behaupteten Beamt_innen, es geben ein Versammlungsverbot entlang der Schiene (was nicht stimmt!)
  • Von Ingewahrsamgenommen bei Stilow wurde - obwohl sie keine Ordnungswidrigkeiten begangen hatten - die Identität festgestellt und selbst bei Vorliegen des Personalausweises die Gesichter fotografiert



criticalBAR (-)

Die criticalBAR im KLEX muss heute ausfallen. Der Castor hat sich heute früh um 4 Uhr in Karlsruhe auf den Weg gemacht. Er wird voraussichtlich Donnerstagfrüh im Zwischenlager bei Lubmin ankommen.

Genaue Infos unter: http://castorticker.de/

LeMiMo am 26.1.: VoKü & Film zur Sicherungsverwahrung

Morgen (26.01.) gibts wieder lecker Essen im Klex.![]() Wie immer beim LetztenMittwochImMonat gibts ab ca. 20 Uhr ausgezeichnetes VoKü-Essen (Bio - Fair - Vegan) und im Anschluss einen Film.

Diesmal: Wegsperren für immer? - Sicherungsverwahrung in Deutschlands größtem Knast Eine Dokumentation über Sicherungsverwahrte in der JVA Berlin-Tegel. Der Film versucht einen Einblick in den Alltag von Sicherungsverwahrten zu geben und lässt dazu Therapeuten, JVA-Beamte und vor allem Sicherungsverwahrte selbst zu Wort kommen.

LeMiMo Flyer

Demobeobachtung Lubmin-Castor 12/2010

Vom 14. bis 16.12.2010 fand ein Castortransport aus dem französischen Cadarache ins Zwischenlager Nord bei Lubmin statt. Zu diesem Anlass wurden zahlreiche Protestveranstaltungen organisiert. Der AKJ (Arbeitskreis Kritischer Jurist_innen) Greifswald begleitete einige dieser Veranstaltungen mit De­mobeobachtungsteams.

Auftaktdemonstration am 11.12.2010 in Greifswald

Das Antiatombündnis Nordost veranstaltete am 11.12. ein Auftaktdemonstration gegen die Castortransporte ins Zwischenlager Nord. Gegen 13.30 Uhr begann sie mit einer Kundgebung auf dem Bahnhofsvorplatz in Greifswald. Ab 14.30 Uhr startete der Aufzug mit ca. 3000 Demonstrant_innen, der die Altstadt umrundete und ca. um 15.30 Uhr wieder am Bahnhof ankam, wo auch die Ab­schlusskundgebung stattfand. Der AKJ war mit drei Teams à drei Leuten vor Ort.

Die Demonstration verlief, wie von Veranstalter_innen und Polizei erwartet, durchgehend friedlich.

Auch das Polizeiverhalten war weitestgehend angemessen. Während der Auftakt- und Schlusskundgebung hielten sich die Polizeikräfte sehr im Hintergrund. Bei der Demonstration liefen mehrere Polizeigruppen in größeren Abständen am Rand mit, verhielten sich aber zurückhaltend.

Die Straßen Richtung Innenstadt waren meist durch Polizeiketten gesichert, auch waren größere Kontingente in der Stadt anwesend, so zum Beispiel mehrere Wasserwerfer. Einige Beamte führten gut sichtbar Behälter mit sich, in denen sich vermutlich Pfefferspray befand. Zeitweise wurde die Demo mittels eines Hubschraubers überwacht. Angesichts der – auch schon im Voraus erwarteten – Friedlichkeit der Demonstration und im Vergleich zu ähnlichen Veranstaltungen andernorts erscheint ein solches Polizeiaufgebot teilweise übertrieben und einschüchternd. Auch wenn massiver Polizeieinsatz bei derzeitigen Demonstrationen überaus häufig vorkommt, sollte dies nicht der Normalfall sein. Gerade bei Anti-Atomkraft-Protesten, die zu einem großen Teil von Familien mit Kinder getragen werden, sollte die Anzahl der Polizeikräfte dem zu erwartenden Konfliktpotential entsprechen. Und ein großes Polizeiaufgebot kann gerade bei Familien und älteren Personen eine abschreckende Wirkung haben und sie so von der Teilnahme an der Demonstration und somit der Ausübung ihrer verfassungsmäßig garantierten Versammlungsfreiheit abhalten.

X-tausendmal Tanz, Soliparty am 12.1. ab 21 Uhr‏

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Vortrag: Die Sicherungsverwahrung nach dem EGMR Urteil am Mo 10.1.2011 um 20.00 s.t.

Am Monatag den 10. Januar 2011 findet um 20.00 s.t. im HS 2 im Audimax ein Vortrag mit Dr. Kirstin Drenkhahn zum Thema "Die Sicherungsverwahrung nach dem EGMR-Urteil statt.

Inhalt: Nach einem kurzen Überblick über die historische Entwicklung der Sicherungsverwahrung und der Herstellung einiger internationalen Bezüge, wird das EGMR-Urteil erklärt und über seine Verarbeitung durch Justiz und Öffentlichkeit berichtet werden. Im Anschluss wird es noch einen kurzen Einblick in das neue Recht der Sicherungsverwahrung und die Möglichkeit zum Fragen und Diskutieren geben.

Dr. Kirstin Drenkhahn  ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Kriminologie von Prof. Dr. Dünkel und am Lehrstuhl für Strafrecht und Strafverfahrensrecht von Prof. Dr. Sowada.![]()

Flyer