Bericht zum Vortrag: Hartz IV - Recht, Willkür Hilfslosigkeit

Auf Einladung des AKJ Greifswald hielt die Sprecherin der Bürgerinitiative „Hartz IV Plattform“, Brigitte Valenthin am 19. April 2011 einen Vortrag über die systematische Hilfeverweigerung und das nötigende „Unter-Druck-Setzen“ der Leistungsberechtigten nach dem Sozialgesetzbuch durch deutsche Sozialbehörden und Sozialgerichte. Frau Valenthin leitete den Vortrag ein, indem sie die Titelzeile des Leitartikels der „BILD-Zeitung“ vom 19.04.2011 verlas, in welchem Leistungsberechtigte unter anderem als „Verprasser“ und Straftäter diffamiert wurden. Im Folgenden stellte Frau Valenthin kurz ihren Werdegang vom Engagement im Umweltschutz und der Anti-Atomkraftbewegung zum Widerstand gegen die Sozialleistungsgesetzgebung vor. Im weiteren Verlauf stellte Frau Valenthin die Grundsätze der Sozialgesetzgebung aus §1 SBG I in einen Bezug zur Realität und stellte auf diese Weise klar, dass insbesondere das im Gesetz verbrieft Recht auf ein menschenwürdiges Dasein sowie die Chancengleichheit in der Realität nicht gewährleistet sind. Sie verdeutlichte, dass die Hartz-IV-Gesetzgebung weniger eine soziale Hilfe für die Betroffenen, sondern vielmehr ein „Kosteneinsparprogramm“ ist. Um dies zu verdeutlichen, schilderte sie auf sehr eindrückliche Weise einige Fälle, in denen es zu ungerechtfertigten Sanktionen gegenüber Leistungsberechtigen kam. In einem Fall sollte ein Dialysepatient wider eines fachärztlichen Gutachtens eine Arbeitstätigkeit annehmen, die er aufgrund seiner körperlichen Verfassung jedoch unmöglich wahrnehmen konnte. In diesem Fall steht das Urteil des Sozialgerichtes noch aus. Frau Valenthin ging weiterhin auf die tiefgreifenden Änderungen ein, die nach dem sog. „Hartz-IV-Urteil“ des BVerfG Eingang in die Sozialgesetzgebung fanden. Nach Frau Valenthins Ausführungen stellen die Gesetzesänderungen eine klare Benachteiligung der Leistungsberechtigten dar, denn es wurden diverse Dinge im Gesetz festgeschrieben, über welche die Sozialgerichte zuvor im Einzelfall unter Umständen zugunsten der Beteiligten urteilen konnten. Allerdings thematisierte Frau Valenthin nicht ausschließlich die Seite der Leistungsberechtigten. Sie lobte ausdrücklich das freiwillige Engagement einer kleinen Minderheit von Sachbearbeiter_innen, die selbstständig die vorhandenen Spielräume ausnutzen, um den Leistungsberechtigten ein möglichst menschenwürdiges Leben zu ermöglichen, was leider häufig nicht zutrifft. Außerdem lobte sie die Sozialgerichte, die häufig das ungerechtfertigten Beschlüsse der Sozialbehörden kassierten und so den Leistungsberechtigten nachträglich doch noch zu ihrem Recht verhalfen. Das Fazit von Frau Valenthin fiel allerdings weniger positiv gegenüber den Sozialbehörden aus. Sie betonte ausdrücklich, dass wohlmeinende Sachbearbeiter_innen die absolute Ausnahme seien. Sie führte aus, dass die Sozialbehörden ihren Mitarbeiter_innen klare Anweisungen an die Hand geben, nach welchen den Leistungsberechtigten nur das absolut allernötigste zuzugestehen sei. Im Anschluss an den Vortrag gab es noch eine kurze Diskussion, welche insbesondere zum Thema hatte, ob das Ausschlaggebende am Unrecht um die Hartz-IV-Bezüge die Höhe der Bezüge sei oder nicht vielmehr die Willkür und Demütigung durch Behörden und Bürokratie. Thematisiert wurden hier besonders die umfassenden Forderungen der Behörden nach Nachweisen über die finanzielle und familiäre Situation der Leistungsberechtigten. Die Diskussion kam zu dem Ergebnis, dass insbesondere Letzteres ursächlich für die Entwürdigung der Leistungsberechtigten ist und kam hier mit den Zielen der Hartz-IV-Plattform überein, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen diese Probleme wenigstens mildern könne. Wir bedanken uns ganz herzlich bei Frau Vallenthin und der Rosa Luxemburg Stiftung M-V, welche die Veranstaltung unterstützt hat. Der Live-Mitschnitt wurde auf Wunsch von Frau Vallenthin vom Netz genommen!