Demobeobachtung Lubmin-Castor 12/2010

Vom 14. bis 16.12.2010 fand ein Castortransport aus dem französischen Cadarache ins Zwischenlager Nord bei Lubmin statt. Zu diesem Anlass wurden zahlreiche Protestveranstaltungen organisiert. Der AKJ (Arbeitskreis Kritischer Jurist_innen) Greifswald begleitete einige dieser Veranstaltungen mit De­mobeobachtungsteams.

Auftaktdemonstration am 11.12.2010 in Greifswald

Das Antiatombündnis Nordost veranstaltete am 11.12. ein Auftaktdemonstration gegen die Castortransporte ins Zwischenlager Nord. Gegen 13.30 Uhr begann sie mit einer Kundgebung auf dem Bahnhofsvorplatz in Greifswald. Ab 14.30 Uhr startete der Aufzug mit ca. 3000 Demonstrant_innen, der die Altstadt umrundete und ca. um 15.30 Uhr wieder am Bahnhof ankam, wo auch die Ab­schlusskundgebung stattfand. Der AKJ war mit drei Teams à drei Leuten vor Ort.

Die Demonstration verlief, wie von Veranstalter_innen und Polizei erwartet, durchgehend friedlich.

Auch das Polizeiverhalten war weitestgehend angemessen. Während der Auftakt- und Schlusskundgebung hielten sich die Polizeikräfte sehr im Hintergrund. Bei der Demonstration liefen mehrere Polizeigruppen in größeren Abständen am Rand mit, verhielten sich aber zurückhaltend.

Die Straßen Richtung Innenstadt waren meist durch Polizeiketten gesichert, auch waren größere Kontingente in der Stadt anwesend, so zum Beispiel mehrere Wasserwerfer. Einige Beamte führten gut sichtbar Behälter mit sich, in denen sich vermutlich Pfefferspray befand. Zeitweise wurde die Demo mittels eines Hubschraubers überwacht. Angesichts der – auch schon im Voraus erwarteten – Friedlichkeit der Demonstration und im Vergleich zu ähnlichen Veranstaltungen andernorts erscheint ein solches Polizeiaufgebot teilweise übertrieben und einschüchternd. Auch wenn massiver Polizeieinsatz bei derzeitigen Demonstrationen überaus häufig vorkommt, sollte dies nicht der Normalfall sein. Gerade bei Anti-Atomkraft-Protesten, die zu einem großen Teil von Familien mit Kinder getragen werden, sollte die Anzahl der Polizeikräfte dem zu erwartenden Konfliktpotential entsprechen. Und ein großes Polizeiaufgebot kann gerade bei Familien und älteren Personen eine abschreckende Wirkung haben und sie so von der Teilnahme an der Demonstration und somit der Ausübung ihrer verfassungsmäßig garantierten Versammlungsfreiheit abhalten.

Während einige Polizeikräfte nur passiv Kameras mit sich führten, wurde der Aufzug zu Beginn an einer Stelle gefilmt. Auf Nachfrage wurde später zunächst alles abgestritten und dann erklärt, die Aufnahmen seien für die interne Presse gemacht worden. Die einschüchternde Wirkung des Filmens bleibt jedoch (VG Berlin, NVwZ 2010, 1442). Der Polizei sei eine nähere Beschäftigung mit den rechtlichen Grenzen von Bildaufnahmen bei Demonstrationen nahe gelegt. Die gegenwärtige Praxis – nicht nur bei den Castorprotesten – ist so nicht tragbar (vgl. Singelnstein/Koranyi:

Auch die Rechtfertigung der Polizei, man habe (z.B. aus dem Hubschrauber) nur Übersichtsaufnahmen zur Lenkung der Demo gemacht und niemanden überwachen wollen, ist juristisch nicht haltbar. Angesichts der heutigen Qualität von Bildaufnahmen sind Einzelne auch aus großer Entfernung individualisierbar, sodass ein Eingriff in die Grundrechte auf informationelle Selbstbestimmung und Versammlungsfreiheit vorliegt. Übersichtsaufnahmen ohne irgendeine Gefahr sind unverhältnismäßige Eingriffe in diese Grundrechte, wie auch vom Bundesverfassungsgericht festgestellt wurde (BVerfG, NVwZ 2009, 441 (446)).

Es bleibt aber festzuhalten, dass dies nur ein Einzelfall war. Insbesondere drei Konfliktmanagerteams der Polizei waren sehr kooperativ und bemüht, Konflikte schon im Ansatz zu erkennen und zu vermeiden. Sie stellen sich dem AKJ zu Beginn der Demonstration als Ansprechpartner zur Verfügung und versuchten Fragen, wie zum Beispiel der Zweck des oben genannten Filmens, selbst zu klären oder den AKJ an eine entsprechende Ansprechperson zu vermitteln.

Demonstration „Nazis abschalten, Atomkraft raus“ am 14.12.2010 in Greifswald

Am 14.12. fand unter dem Motto „Nazis abschalten, Atomkraft raus“ eine Demonstration gegen die Vereinnahmung der Anti-Castor-Proteste durch Rechtsradikale statt. Mit etwa 200 Beteiligten zog sie ab 20 Uhr vom Bahnhof Greifswald durch die Altstadt zum Museumshafen. Der AKJ begleitete sie mit drei Teams à zwei Leuten.

Die einzige kritikwürdige Situation ereignete sich gleich zu Beginn: Eine Person filmte erst aus einem Bahnhofsfenster und dann vom Bahnhofsvordach die sich versammelnden Teilnehmer_innen. Auf Nachfrage konnte die Polizei uns nicht erklären, wer dort filmte und warum. Dies ist nicht verwunderlich, da den zuständigen Polizist_innen die Rechtswidrigkeit des Handelns (s.o.) wohl bewusst war.

Im übrigen ist das Verhalten der Polizei jedoch sehr positiv zu bewerten. Sie begleitete die Demonstration mit einem angemessenen Aufgebot. Bei Situationen, in denen Unruhe aufkam – etwa als mutmaßliche Neonazis die Demonstration in der Langen Straße und an der Ecke Schuhhagen/Mühlenstraße filmte –, wurde angemessen reagiert.

Mahnwachen und Blockadeaktionen am 16.12.2010 zwischen Greifswald und Lubmin

Am 15.und 16.12. fanden an verschiedenen Orten entlang der Bahnstrecke zwischen Greifswald und Lubmin Mahnwachen und verschiedene Blockadeaktionen statt. Der AKJ war mit jeweils 2-3 Personen an den Mahnwachen in Kemnitzerhagen, Brünzow, Vierow und Kräpelin sowie am Akti­vist_innen-Camp in Guest und begleitete die von dort ausgehenden Aktionen.

Am Abend des 15.12. war der Zugang zu den angemeldeten Mahnwachen problemlos möglich. Im Gegensatz zu den Vortagen und dem Folgetag wurden auch keine Personenkontrollen durchgeführt. Bei der Zufahrt zum Camp in Guest, sowie beim Verlassen des Camps, wurde dagegen die Identität der Ankommenden festgestellt und die Kofferräume der Autos durchsucht. Auch dieses Vorgehen ist zu kritisieren, da sich die Betroffenen ausweisen konnten. Angesichts dessen ist eine weitere Durchsuchung äußerst zweifelhaft, da es bei den friedlichen Protesten nicht um Sachlagen handelte, die die Begehung von Straftaten nahe legten. Sachen, die zur Begehung von Ordnungswidrigkeiten verwendet werden sollen, können zwar sichergestellt werden, doch lagen tatsächliche Anhaltspunkte nicht vor, dass sich in den durchsuchten Autos solche befinden. Der Generalverdacht gegenüber allen Teilnehmer_innen des Camps spricht vielmehr für bloß abstrakte Vermutungen. Eine darauf beruhende standardmäßige Untersuchung stellt vielmehr eine schikanierende Kriminalisierung der Betroffenen dar.

Am Morgen des 16.12. nahm die Polizeipräsenz zu. Berichten zufolge wurde an den Bahnübergän­gen Personenkontrollen durchgeführt und Passanten später nur einzeln in Polizeibegleitung über die Gleise gelassen. In Guest verlangten die Polizist_innen schon ab 10 Uhr, dass man einen Abstand von 50 Metern zu den Gleisen einhält, mit der Begründung, dass man ansonsten eine Straftat beginge. Diese Falschinformation zeigt abermals eine unnötige Einschüchterung der Aktivist_innen, zumal nicht einmal ein aus dem Wendland bekanntes Demonstrationsverbot entlang der Schienen existierte. Die angesprochenen Demonstrant_innen wurden zu einer Personalkontrolle aufgefordert und dabei gefilmt. Während die Mahnwachen in Vierow und Kräpelin nur gering überwacht wurden und Gruppen von dort mit nur wenigen Polizist_innen in Begleitung (in Vierow zu Beginn auch mit ei­nem Kamerawagen) (Filmen) gegen 11 Uhr zu den Gleisen gelangten, zeigte die Polizei in Brünzow schon früh Präsenz. Die Mahnwache wurde durchgehend beleuchtet, gegen 9.27 Uhr erschien ein Beob­achtungswagen der Polizei, dessen Kamera auf die Zelte gerichtet war. Außerdem richtete ein Kamerateam der Polizei seine Kamera auf die Zelte. Gegen 10:20 fotografierte die Polizei die Straße vor der Mahnwache, auf der sich Demonstranten und Demonstrantinnen befanden. Auf Nachfrage erklär­ten Polizeikräfte, es werde nicht gefilmt, sondern lediglich für die „interne Presse“ fotografiert. Zur rechtlichen Einschätzung kann auf oben genannte Ausführungen zu polizeilichen Bildaufnahmen verwiesen werden.

Es wurde zudem berichtet, dass ein Wagen von Greenpeace denganzen Tag von der Polizei verfolgt worden sei. Beim Aufbruch der Brünzower Gruppe gegen 10.30 Uhr wurde sie von ca. 60 Beamt_innen be­gleitet und ab dem Verlassen der Landstraße gefilmt.

Ca. 100m vor den Schienen positionierten sich die Polizist_innen in loser Folge, wurden aber schnell von ei­nem Großteil der Gruppe überwunden. Allerdings versuchten einige, die langsam und friedlich (aber bestimmt) gehenden Demonstrant_innen am Vorbeigehen gewaltsam zu hindern. Dabei wurde teilweise auch unverhältnismäßige Gewalt eingesetzt. So wurde ein Demonstrant, der die Kette schon passierte hatte, durch einen Tritt von hinten in die Beine zu Fall gebracht. Ein anderer wurde durch einen Stoß gegen den Kehlkopf ohne Vorwarnung zu Fall gebracht. Auch wenn die betreffenden Polizist_innen die Begehung von Ordnungswidrigkeiten verhindern wollten, muss berücksichtigt werden, dass von den Blockierer_innen keinerlei Gefährdung für die Polizeikräfte ausging. Demzufolge ist das Risiko nicht rechtfertigt, diese durch den Gewalteinsatz zu verletzen. Angesichts der Tatsache, dass zum Zeitpunkt der Gewaltanwendung schon gut 200 Personen auf den Gleisen saßen, ist der Gewalteinsatz gegen einzelne Hinzukommende als unverhältnismäßig zu kritisieren. Nach einigen Minuten wurden dann jedoch alle Aktivist_innen zur Sitzblockade durchgelassen, an der dann knapp 300 Leute teilnahmen.

Dabei beruhigte sich die Lage zunächst. Dagegen waren nun anscheinend die AKJ-Teams, die sich die ganze Zeit auf der Böschung aufhielten, einigen Polizist_innen ein Dorn im Auge. So wurde zum Beispiel 2 AKJler_innen trotz Tragen der kennzeichnenden Warnwesten und mehrmaligem Erklärungsversuch nach 3-maliger Aufforderung ein Platzverweis erteilt.

Als vier Polizisten, begleitet von einem Kabel 1-Fernsehteam, zu zwei sich abseits der Sitzblockade aufhaltenden Aktivist_innen gingen und ein AKJ-Team mitlaufen wollte, wurde dies ihnen unter An­drohung eines Platzverweises untersagt. Nach der Rückkehr zu den Gleisen wurde als Begründung angegeben, für die Demobeobachter_innen habe eine abstrakte Gefahr bestanden, da die Aktivistin­nen (die unterkühlt und zu der Zeit schon auf dem Rückweg zu Mahnwache waren) gefährlich Ge­genstände dabei gehabt haben könnten [wohingegen die Polizei den Journalisten gegenüber an­scheinend weniger fürsorglich ist!]. Etwas später wurden zwei AKJler_innen von einem Bundespolizisten das Überqueren trotz gegenteiliger Absprachen unter Androhung von Bußgeld untersagt. Erst nach langen Diskussionen und dem Hinzurufen einer Konfliktmanagerin wurde den AKJler_innen die Versammlungsbeobachtung an den Gleisen wieder erlaubt.

Auch hier ist wieder zu hervorzuheben, dass das Verhalten der Konfliktmanager_innen sehr positiv zu bewerten ist und sie dort, wo sie anwesend waren, zur Entspannung der Lage beitrugen.

Räumung der Sitzblockade

Um 13.15 Uhr wandte sich die Polizei erstmals mit einer Lautsprecherdurchsage an die Aktivist_innen und teilte ihnen mit, dass sie als Versammlung angesehen werden, sie jedoch gegen versammlungsrechtliche Bestimmungen verstießen und damit eine Ordnungswidrigkeit begingen. Sie dürften jedoch 100m von den Gleisen entfernt demonstrieren.

Mit Durchsagen um 13.27 und 13.33 Uhr wurde zweimal erklärt, dass die Versammlung aufgelöst werde Um 13.47 bzw. 49 Uhr wurde an beiden Enden der Blockade für alle Beteiligten verständlich die letzte Aufforderung zum Verlassen der Gleise verkündet. Um 13.50 Uhr begann die Räumung der Sitzblockade. Zu dieser Zeit war schon bekannt, dass sich bei Diedrichshagen zwei Robin-Wood-Aktivist_innen angekettet hatten und es bis zur Durchfahrt des Castortransportes an der Stelle der Sitzblockade noch einige Stunden dauern würde.

Bei der Räumung der Sitzblockade waren ausreichend Polizeibeamt_innen vor Ort. Positiv festzuhalten ist, dass es nicht zum Einsatz von Schlagstöcken, Pfefferspray o.ä. kam. Die Mehrheit der Polizeikräfte verhielt sich bei der Räumung angemessen oder zumindest auf vertretbare Weise. Sie waren alle mit Schlagstöcken ausgestattet und teilweise behelmt. In der Regel wurden die Aktivist_innen zuerst belehrt und dann gefragt, ob sie freiwillig gehen oder weggetragen werden wollten. Etwa 10 % gingen freiwillig. Diejenigen, die sich wegtragen ließen, nahmen zumeist eine explizit „wegtragefreundliche“ Haltung an. Auch die anderen leisteten keinen Widerstand, sondern blieben regungslos sitzen.

Meist wurden die Blockierenden von drei Beamt_innen weggetragen, einige Male – trotz ausreichender Polizeipräsenz insbesondere von den baden-württembergischen Einheiten – aber auch nur von zwei. Es kam auch immer wieder vor, dass Leute nicht weggetragen, sondern vielmehr weggestoßen oder weggeschleift wurden. Die Polizei hatte sichtlich Probleme, die Aktivist_innen die verschneite Böschung hochzutragen. Einige Demonstrant_innen sahen dies und liefen ab der Böschung in Polizeibegleitung. Immer wieder rutschen Polizist_innen aus, wodurch sowohl sie als auch die Aktivist_innen kleinere Verletzungen erlitten. Einige Beamt_innen mussten wegen Zerrungen o.ä. vom Sanitätsdienst behandelt werden. Erst gegen Ende wurde ein Weg mit Stroh ausgelegt, der aber nur von einigen Beteiligten genutzt wurde.

Während der Räumung kam es immer wieder zu kleineren Schikanierungen durch – meist gereizte – Polizeikräfte. Einige Beamt_innen versuchten, auf die Blockierer_innen Druck aus zu üben, indem sie behauptete, diese würden Straftaten begehen, wenn sie sich nicht freiwillig entfernten. Einer Frau, die sich weigerte weg zu gehen, sollte durch ein Kneifen in die Wange dazu bewegt werden. Einer anderen wurde zu Beginn des Wegtragens die Kapuze über den Kopf gezogen, sodass sie nicht sehen konnte wo sie sich befand. Ein Mann sollte mit Gewalt zum aufstehen bewegt werden, da zwei Beamtinnen keine Unterstützung zum Tragen anfordern wollten und dies erst nach Intervention eines AKJlers taten. Andere wurden „unabsichtlich“ getreten.

Insgesamt ließen sich bei der Räumung große Unterschiede bei der Behandlung der Blockierer_innen beobachten. Während einige Einheiten entsprechend der Umstände angemessen vorgingen, gaben sich andere wenig Mühe, Rücksicht zu nehmen. So reicht das Verhalten der Polizist_innen bei der Räumung von vorbildlich (vor allem seitens der Polizeikräfte aus Schleswig-Holstein) bis unverhältnismäßig (insbesondere bei Einheiten aus Baden-Württemberg und von der Bundespolizei).

Die Räumung war gegen 14.10 Uhr beendet.

Vorläufige GeSa/Polizeikessel

Oberhalb der Schienen wurden die Personalien der Weggetragenen aufgenommen. Dazu wurde ihr Personalausweis neben ihren Kopf gehalten und gefilmt. Des weiteren wurden in der Regel die persönlichen Angaben vorgelesen, sowie eine kurzen Beschreibung des Vorwurfs hinzugefügt. Da zu diesem Zeitpunkt die Versammlung aufgelöst war und von den Ingewahrsamgenommenen keine Gefahr ausging, können sich diese Bildaufnahmen nur auf strafprozessuale Grundlagen berufen, die gem. § 46 OWiG auch für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten anwendbar sind. Allerdings ist dabei insbesondere der Grundsatz Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen, der für Erkennungsdienstliche Maßnahmen wie Bildaufnahmen im Ordnungswidrigkeitsverfahren grundsätzliche keinen Anlass bietet (OVG Lüneburg, Beschluss v. 24.10.2007 – 11 ME 309/07). Der hier in Betracht kommende § 81b SPO setzt zudem eine Erforderlichkeit der Bildaufnahmen voraus, die bei einer sicheren Beweislage überflüssig sind (KK-OWiG/Lampe, § 46 Rn. 16). Um eine solche handelt es sich hier, denn die Polizei verfügte bereits über alle erforderlichen Informationen.

Danach wurden die Ingewahrsamgenommenen zu einem Polizeikessel geführt, der zur Hälfte mit Fahrzeugen, zur Hälfte mit Reihen von Beamt_innen geschlossen war. Anscheinend war diese Konstruktion als Gefangenensammelstelle gedacht. Erst auf Intervention eines Rechtsanwalt wurde den Eingeschlossenen zugesagt, in die Gefangenensammelstelle nach Wolgast gebracht zu werden.

Als sich die Ingewahrsamgenommenen gegen 14.35 Uhr in Richtung der Busse, die sie zur Gefangenensammelstelle bringen sollten, in Bewegung setzten, kam es wieder zu einzelnen Schikanierungen. So blieben zum Beispiel drei Personen passiv auf dem Boden sitzen. Eine dieser Personen, eine Frau, wurde zuerst versucht zu überreden, aufzustehen. Als dies erfolglos blieb, wurde sie von 4 Polizist_innen weggetragen. Nach kurzer Zeit gaben die Beamt_innen das Wegtragen allerdings auf . 2 Polizist_innen nahmen ihre Beine und schleiften sie mit dem Körper über den Boden. Dies war jedoch sehr beschwerlich. Als die Beamt_innen keine „Lust“ mehr hatten, verdrehten sie der Frau die Arme und führten sie weg. Dabei verdeckte ein Polizist der Frau das Gesicht mit seiner Hand. Der andere Polizist bezeichneten die Dame abschließend als „blöde Ische“.

Die Ingewahrsamgenommen verblieben im Polizeikessel und warteten auf der Straße zwischen Vierow und Brünzow bei Minusgraden und Schneetreiben auf die Busse, die sie zur Gefangenensammelstelle in Wolgast bringen sollten. Hierbei war es ihnen nicht möglich eine Toilette aufzusuchen.

Als es dann nach langen Warten zum Abtransport nach Wolgast kommen sollte, stand zunächst nur ein Bus zur Verfügung. Dies hatte zur Folge, dass ein Großteil der Demonstrant_innen weiter warten musste. Der letzte Bus fuhr 16:30 in Richtung Wolgast ab. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde ein Teil der Demonstrant_innen 2 ½ Stunden in Kälte und Schnee ohne die Möglichkeit eine Toilette aufzusuchen in Gewahrsam gehalten.

Das Halten in Gewahrsam bis zur Ankunft des Castortransportes entspricht grundsätzlich der Rechtsprechung zu diesem Thema. Allerdings sind die Umstände zu kritisieren. Ein stundenlanger Gewahrsam bei Minusgraden, ohne Zugang zu Toiletten, entspricht nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der stets an polizeiliches Handeln zu stellen ist. Auch wenn es aufgrund der schwierigen Wetterbedingungen und der Unwägbarkeiten bei Großeinsätzen von der Polizei nicht zu erwarten ist, dass alles perfekt läuft, sind doch Mindestanforderungen einzuhalten. Insbesondere kann polizeiliches Organisationsversagen aufgrund mangelhafter Planung nicht zu Lasten der Bürger_innen gehen. Die Polizei hätte sich beispielsweise nicht stundenlang mit der Einkesselung beschäftigen müssen, solange die Weiterfahrt des Zuges noch wegen der Robin-Wood-Aktion an andere Stelle nicht möglich war. Sobald sie sich aber zur Ingewahrsamnahme der Blockier_innen entschließt, ist sie auch für die Einhaltung von Mindeststandards der Ingewahrsamgenommenen verantwortlich.

Für Rückfragen steht der AKJ gerne zur Verfügung: akj-greifswald [at] systemausfall.org

Bild via Feldweg