Demobericht zu den Protesten gegen den Naziaufmarsch in Demmin am 8.5.2014*

Die Proteste gegen den Naziaufmarsch in Demmin am 8.5.2014 wurden von zum Teil massiver Polizeigewalt überschattet. Dabei begannen die Aktionen zunächst überaus friedlich und auch die Polizei agierte deeskalierend. Lediglich Vorkontrollen gegen Protestierende aus anderen Bundesländern ließen erahnen, dass die Polizei die Grundrechte der Gegendemonstrant*innen nicht ausreichend achtet. Nach Beginn des Naziaufmarsches wurde jedoch zunehmend unverhältnismäßige Gewalt gegen die Demonstrierenden eingesetzt. Die versammlungsrechtlichen Vorschriften, die auch Gegenproteste schützen, wurden häufig missachtet und einseitig das Versammlungsrecht der Nazis durchgesetzt. Diese Gesamtstrategie der Einsatzkräfte, die eine Abwägung der unterschiedlichen Grundrechtspositionen völlig vermissen ließ, sorgte für eine aufgeheizte Stimmung, die Verletzungen bei den Protestierenden billigend in Kauf nahm. Dass es durch das übermäßig harte Vorgehen von Polizeikräften tatsächlich zu mehreren Verletzten kam, ist die logische Folge daraus. Trauriger Tiefpunkt ist die Festnahme eines Demonstranten, der dabei so brutal angegangen wurde, dass er bewusstlos wurde und ins künstliche Koma versetzt wurde. Sowohl dieser Einzelfall als auch die Gesamtstrategie bedürfen der Aufarbeitung. Die bisherigen Stellungnahmen der Polizei lassen jedoch befürchten, dass mit einer Diffamierung der Gegenproteste versucht wird, das eigene Vorgehen zu rechtfertigen.

Im Einzelnen:

Zum Teil überzogene Vorkontrollen

Kurz vor Ankunft in Demmin wurden die Busse mit den Demonstrierenden angehalten und kontrolliert. Bei den Greifswalder Bussen gestaltete sich dies noch recht unproblematisch. Lediglich in einem Bus wurden einfache Sichtkontrollen der mitgeführten Taschen durchgeführt, was sich noch auf §§ 57 Nr. 6, 29 I 2 Nr. 4e) SOG M-V stützen lässt.

Unzulässige Kontrollen wurden jedoch von den Berliner Bussen berichtet. Hier wurden nicht nur mitgeführte Sachen durchsucht, sondern auch Personen abgetastet, was als Durchsuchung von Personen i.S.d. § 53 SOG M-V nicht an allgemeinen Kontrollstellen vor Versammlungen zulässig ist, sondern tatsächliche Anhaltspunkte dafür erfordert, dass gefährliche Gegenstände mitgeführt werden. Aufgrund des friedlichen Protests der letzten Jahre erscheint eine solche Prognose jedoch überaus zweifelhaft. Gleiches gilt für das Videografieren der Businsassen. Noch gravierender ist jedoch, dass auch bei Journalisten mit Presseausweis und Sanitätern keine Ausnahme gemacht wurde. Begründet wurde dies vom anwesenden Polizeiführer damit, dass sie ja schließlich gemeinsam anreisten und deshalb gleichbehandelt würde. Das verkennt jedoch, dass die gemeinsame Anreise von Journalist*innen bzw. Sanitäter*innen gerade sinnvoll ist, da sie nur möglichst nah bei den Demonstrierenden ihre Aufgaben erfüllen können. Das gilt für die Anreise genauso wie für die eigentliche Versammlung. Die pauschale Gleichbehandlung wird dem besonderen Schutz, den diese Berufsgruppen genießen, nicht gerecht.

Friedliche Blockaden

Die Proteste gegen den Naziaufmarsch verliefen zunächst ausgesprochen ruhig. Dies gilt auch für die Sitzblockaden, die sich kurz nach 17h in der Pompe-Str./Goethestr., der Bahnhofstr., der Peenestr. sowie der Nikolaistr. bildeten. Lediglich in der Pompe-Str. kam es später zu kleineren Rangeleien, als eine Gruppe von Demonstrierenden daran gehindert wurde, zur bestehenden Blockade zu stoßen. Insgesamt agierte die Polizei jedoch deeskalierend und zeigte sich kommunikationsbereit. So wurden Einsatzkräfte etwa angewiesen, ihre Helme abzunehmen, um eine einschüchternde Wirkung zu vermeiden. Dies war auch angemessen, denn schließlich verhielten sich auch die Demonstrierenden vollkommen friedlich. In Gesprächen machten Polizisten deutlich, dass sie das Recht auf Protest in Sicht- und Hörweite der Nazidemo anerkennen.

Bei der Bewertung der Blockaden zeigten leitende Polizisten jedoch eine erstaunliche Unkenntnis des Versammlungsrechts. So wurde in der Peenestr. die Versammlungseigenschaft der Blockade verneint, weil ein*e Leiter*in fehle. Seit den 1980ern ist hingegen gerichtlich geklärt, dass ein*e Leiter*in für eine Versammlung keine Voraussetzung ist. In der Bahnhofstr. wurde die Versammlung dagegen als Verhinderungsblockade eingestuft, weshalb sie nicht vom Grundgesetz geschützt sei. Selbst wenn man dieser (rechtlich umstrittenen) Einschätzung folgt, macht das jedoch eine Auflösung der Versammlung nicht entbehrlich, um gegen sie vorzugehen. Als die Nazis ihren „Trauermarsch“ gegen 20 Uhr begannen, wurden die Blockade jedoch von Polizeikräften und -wagen umstellt und auch nach deren Vorbeiziehen noch knapp 30min festgehalten. Mangels Auflösungsverfügung widerspricht dies dem Versammlungsgesetz. In der Peenstr. gab es zwar eine zweimalige Aufforderung zum Verlassen der Blockade – als die Nazis am anderen Ende der Innenstadt los liefen, wurden die Polizeikräfte jedoch abgezogen. Als über eine Stunde später gegen diese Blockade vorgegangen wurde, hatte sich jedoch deren Zusammensetzung geändert, sodass neue Ansagen erforderlich gewesen wären.

Entlang der Naziroute unüberlegtes Vorgehen und zum Teil brutale Gewalt der Polizei

Die Nazis wurden zunächst an der Pompestr./Goethestr. in sehr geringem Abstand an der dortigen Blockade vorbei geleitet. Ein solches Vorgehen ins zwar riskant, Gegendemonstrant*innen und Polizei verhielten sich jedoch friedlich. Im weiteren Verlauf wurde die Lage jedoch immer unruhiger. So kam es etwa am Marktplatz zu Rangeleien zwischen der Polizei und Demonstrierenden, die zur Naziroute vorstoßen wollten oder den Anweisungen nicht sofort folgten. Im Bereich Holstenstr./Heiliggeiststr. strömten zahlreiche Menschen aus unterschiedlichen Richtungen auf die Straße und bildeten mehrere Blockaden. Die Polizei agierte sichtlich nervös und setzte zunehmend Zwangsmittel ein. Demonstrierende (und auch AKJ-Demobeobachter*innen) wurde vehement zur Seite gestoßen, bereits Sitzende von der Straße gerissen, an mindestens eine Stelle wurde Pfefferspray eingesetzt. Dieses Vorgehen war bereits deshalb unverhältnismäßig, weil von den Demonstrierenden keinerlei Gewalt ausging. Wir beobachteten weder dort noch an irgend einem anderen Ort in Demmin körperliche Angriffe auf Polizeikräfte, sondern ausschließlich verbalen Protest.

Auch der Versammlungscharakter wurde vollkommen verkannt. Spätestens hier konnte sich die Polizei nicht mehr auf angebliche reine Verhinderungsblockaden berufen, denn die Protestierenden waren hier besonders zahlreich und vielfältig. Eine korrekte Einsatzleitung hätte den Naziaufmarsch vorübergehend gestoppt, die Lage beruhigt, sich einen Überblick verschafft und dann versucht, das Versammlungsrecht beider Seiten zur Geltung zu bringen. Stattdessen wurde einseitig und gewaltsam gegen die Gegendemonstrant*innen vorgegangen. Ohne klaren Ansagen und ohne ausgewogenen Strategie wurde der Naziaufmarsch hektisch und unter Eingehung eines hohen Risikos durch die protestierenden Menschen hindurch geschleust.

Besonders skandalös ist das Vorgehen gegen einen französischen Demonstranten, der in der Nähe der Sparkasse festgenommen wurde. Auch wenn einige Umstände der Festnahme noch unklar sind bzw. unterschiedliche Angaben bestehen, muss aufgrund der vorliegenden gesicherten Informationen das Polizeiverhalten als absoluter Tiefpunkt ihres Einsatzes bezeichnet werden. Der Mann wurde gefesselt, erst vehement gegen eine Wand und dann zu Boden gedrückt. Dabei schrie er ersichtlich um Hilfe und bekam keine Luft. Obwohl der Festgenommene nur wenig deutsch versteht, verweigerte die Polizei französischsprachigen Menschen zu übersetzen. Insbesondere durfte aber ein anwesender Arzt trotz dringender Not nicht die gebotene Hilfe leisten. Der Franzose verlor das Bewusstsein, blieb jedoch gefesselt und wurde erst nach wohl min. 10 Minuten mit Eintreffen des Rettungswagens versorgt. Er musste ins künstliche Koma versetzt und direkt in das Greifswalder Krankenhaus gebracht werden.

Die Polizeikräfte nahmen mit ihrem Verhalten erhebliche Schädigungen des Demonstranten billigend in Kauf oder riskierten diese zumindest grob fahrlässig. Eine strafrechtliche Aufarbeitung des Vorfalls erscheint deshalb dringend geboten. Er zeigt in erschreckender Weise, wie gering die Polizei die Gesundheit der Gegendemonstrant*innen schätzte, gerade im Vergleich zur Vehemenz, mit der der Weg für den Naziaufmarsch frei gemacht wurde.

Auch in der Umgebung des Zwischenkundgebungsortes der Nazis gingen die Einsatzkräfte zum Teil unnötig gewaltsam gegen die Gegendemonstrant*innen vor. Am Hafen bildeten zahlreiche Menschen eine Blockade. Eine zunächst geringe Anzahl an Polizist*innen versuchte mit Hunden, diese aufzuhalten. Entgegen der Darstellung der Polizei wurde jedoch keine Polizeikette durchbrochen, Demonstrant*innen nutzten lediglich vorhandene Freiräume. Aber auch wo sie bereits zum stehen gekommen waren, wurden sie zum Teil heftig angegangen. So attackierte ein Hundeführer mit einem brutalen Fußtritt einen Demonstranten, der diesen fotografierte. Kritikwürdig erscheint insbesondere der Einsatz der Hunde, mit deren Hilfe versucht wurde, die Demonstrierenden zurück zu drängen. Mehrfach sprangen die Tiere die Demonstrant*innen an, mindestens einer wurde durch einen Hundebiss verletzt. Erschreckend war daraufhin die Aussage eines Polizisten, dass der Hund bereits zuvor einen Polizisten gebissen habe. Wenn die Polizei die eigenen Mittel nicht im Griff hat, ist es unverantwortlich, diese gegen andere Menschen einzusetzen.

Als sich die Lage zunehmend beruhigt, fuhren zwei Wasserwerfer auf, wofür die Blockade in der Peenestr. geräumt wurde. Diese nun unnötige Bedrohung zeigt, dass die Einsatzleitung weiterhin übertrieben hektisch versuchte, durch unbedachten Einsatz von Zwangsmitteln den Naziaufmarsch durchzusetzen. Gleiches gilt für das riskante Vorgehen an der Blockade in der Nikolaistr., wo die Nazis über den Gehweg an den Hafen geleitet wurden.

Unverhältnismäßig war es auch, den Einsatz der Wasserwerfer nicht nur für das Durchbrechen der Polizeikette anzudrohen, sondern auch für den Fall der Vermummung.

Auch im Nachgang wurden die Rechte der Protestierenden stark eingeschränkt. Alle wurden – egal ob am Hafen, in der Peenestr. oder Nikolaistr. – über mehr als eine Stunde eingekesselt und durften sich nicht fortbewegen. Auch diese faktische Freiheitsentziehung geschah ohne Auflösungsverfügungen oder sonstigen Ansagen. Immerhin wurden teilweise Toilettengänge nach Verhandlungen erlaubt, ansonsten ließ die Polizei versammlungsrechtliche Standards vermissen.

Probleme mit der kritischen Öffentlichkeit

Nicht nur am Hafen , sondern auch an zahlreichen anderen Orten wurde die Pressearbeit stark behindert. Exemplarisch ist aber etwa, dass eine Journalistin kräftig hinter die Polizeiabsperrung gezerrt wurde und so die Nazikundgebung nicht mehr beobachten konnte. Solch eine Vorgehensweise – die Berichten zufolge häufig vorkam – wurde anscheinend damit begründet, die Nazis hätten auf ihrer Kundgebung Hausrecht, der Ausschluss der Presseleute sei zwischen ihnen und Polizei abgesprochen. Dies verkennt in eklatanter Weise die Rechtslage. Denn das Hausrecht gibt es gem. § 7 IV VersammlG nur auf Versammlungen in geschlossenen Räumen. Wenn sich die Nazis für eine Versammlung im öffentlichen Raum entscheiden, müssen sie (und die Polizei) auch die Anwesenheit einer kritischen Öffentlichkeit dulden. Das Vorgehen der Polizei ist auch deshalb völlig unverständlich, weil sie während des ganzen Tages kein Problem damit hatte, dass Nazis Gegendemonstrant*innen ablichteten. Einschränkungen der von Art. 5 GG geschützten Presse zeugen vor diesem Hintergrund von einem bedenklichen Grundrechtsverständnis.

Ebenfalls am Hafen brachte ein Polizist einen den Einsatz fotografierenden Mann auf, die gemachten Bilder wegen angeblicher „Verstöße gegen das Urheberrecht“ zu löschen und sich auszuweisen. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung dürfen Einsätze der Polizei als Geschehnisse von öffentlichem Informationsinteresse abgelichtet werden. Selbst wenn die Veröffentlichung von Porträtfotos von einzelnen Polizeikräfte ggf. deren Persönlichkeitsrecht verletzen, berechtigt das die Polizei noch nicht dazu, deren Aufnahme zu verhindern.

Tendenziöse Darstellung der Polizei und unhinterfragte Übernahme der Lokalmedien

Doch die kritische Öffentlichkeit wurde nicht nur vor Ort behindert, auch im Nachhinein versuchte die Polizei massiv, mit Pressemitteilungen die öffentliche Meinungsbildung zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Dass dies zunächst unhinterfragt von NDR und Nordkurier übernommen wurde, ist umso bedauerlicher. Hätten sie ihrer Reporter*innen vor Ort gefragt, wäre ihnen schnell aufgefallen, dass allein schon aufgrund der genannten Zahl von 200 Gegendemonstrant*innen mit dem Wahrheitsgehalt der PM etwas nicht in Ordnung sein kann. Äußerst problematisch ist aber der Inhalt, der sich in einer Diffamierung der Gegendemonstrant*innen als linke Gewalttäter*innen erschöpft. Dies wird unter anderem mit Beschädigungen an Autos von Polizist*innen in Rostock begründet, zu denen sich seit dem 8. Mai um 23:06 Uhr ein Bekennerschreiben auf linksunten.indymedia findet. Da sämtliche Polizeikessel, in denen sich nahezu alle Gegendemonstrant*innen in Demmin befanden, erst eine halbe Stunde zuvor geöffnet wurden und die Fahrtzeit nach Rostock gut eine Stunde beträgt, zeigt dies deutlich, dass es der Polizei mit der Konstruktion von Zusammenhängen nicht um kriminalistische Sorgfalt, sondern um Meinungsmache geht.

Wie in diesem Bericht dargestellt, verliefen die organisierten Proteste, an denen sich mehrere hundert Menschen beteiligten, allesamt friedlich, obwohl sie oft mit gewaltsamen Polizeimaßnahmen konfrontiert waren. Die von der Polizei beschriebenen Gewalttaten mögen irgendwie mit den Geschehnissen in Zusammenhang mit den Veranstaltungen in Demmin stehen. Wären die Protestierenden aber wirklich so gefährlich wie von der Polizei beschrieben, hätte es in Demmin massive Ausschreitungen gegeben, angesichts dessen, dass die Nazis mehrfach in geringem Abstand an Blockaden vorbei geleitet wurden.

Es ist jedoch gerade vor dem hohen Gut der Versammlungsfreiheit unzulässig und für eine demokratische Kultur gefährlich, die große Masse der friedlichen Demonstrierenden mit vereinzelter Gewalt in einen Topf zu werfen. Eine solche Rhetorik führt zu einem Generalverdacht gegen alle Demonstrierenden, der sich in den oben genannten überzogenen Vorkontrollen und unverhältnismäßigen Zwangsmitteleinsätzen niederschlägt. In einem liberalen Rechtsstaat ist jedoch das Vorgehen der Staatsgewalt stets begründungsbedürftig, während die Bürger*innen sich nur bei konkreten Vorwürfen rechtfertigen müssen. Polizei und Innenminister täten deshalb gut daran erst zu klären, wie es passieren kann, dass ein Demonstrant wegen eines Polizeieinsatzes ins künstliche Koma versetzt werden muss, statt dem organisierenden Protestbündnis vorzuwerfen, dass sie Menschen aus anderen Ländern in die Proteste einbindet.

* Zum Selbstverständnis der AKJ-Demobeobachtung siehe http://recht-kritisch.de/index.php/demobeobachtung/. Der AKJ war am 8.5.2014 mit zehn Demobeobachter*innen in Demmin vor Ort und dokumentierte an zahlreichen Orten, ob die Rechte der Gegendemonstrant*innen eingehalten wurden. Die kursiven Abschnitte beziehen sich auf Vorkommnisse, die wir nicht selbst beobachtet haben, die wir aber für bedeutsam und aufgrund von Medienberichten und übereinstimmenden Augenzeugenaussagen für glaubwürdig halten. Der Bericht stellt eine Auswahl der beobachteten Geschehnisse zusammen, die wir für bemerkenswert halten, und bewertet diese. Auf vertiefte Darstellungen zu den Tatsachen sowie den rechtlichen Bewertungen verzichten wir wegen des ohnehin schon großen Umfangs, antworten aber gerne auf diesbezügliche Nachfragen: akj-greifswald [ät] systemausfall . org.

Bild via Endstation rechts

Demobericht zu den Protesten in Demmin am 8.5.2014

Die Proteste gegen den Naziaufmarsch in Demmin am 8.5.2014 wurden von massiver Polizeigewalt überschattet. Dabei begannen die Aktionen zunächst überaus friedlich und auch die Polizei agierte deeskalierend. Lediglich Vorkontrollen gegen Protestierende aus anderen Bundesländern ließen erahnen, dass die Polizei die Grundrechte der Gegendemonstrant_innen nicht ausreichend achtet. Nach Beginn des Naziaufmarsches wurde jedoch zunehmend unverhältnismäßige Gewalt gegen die Demonstrierenden eingesetzt. Die versammlungsrechtlichen Vorschriften, die auch Gegenproteste schützen, wurden vollkommen missachtet und einseitig das Versammlungsrecht der Nazis durchgesetzt. Diese Gesamtstrategie der Einsatzkräfte, die eine Abwägung der unterschiedlichen Grundrechtspositionen völlig vermissen ließ, sorgte für eine aufgeheizte Stimmung, die Verletzungen bei den Protestierenden billigend in Kauf nahm. Dass es durch das übermäßig harte Vorgehen von Polizeikräften tatsächlich zu mehreren Verletzten kam, ist die logische Folge daraus. Trauriger Tiefpunkt ist die Festnahme eines Demonstranten, der dabei so brutal angegangen wurde, dass er bewusstlos wurde und ins künstliche Koma versetzt wurde. Sowohl dieser Einzelfall als auch die Gesamtstrategie bedürfen der Aufarbeitung. Die bisherigen Stellungnahmen der Polizei lassen jedoch befürchten, dass mit einer Diffamierung der Gegenproteste versucht wird, das eigene Vorgehen zu rechtfertigen. (1)

Im Einzelnen:

Demo-Bericht von den Anti-Nazi-Protesten am 23.3.2013 in Güstrow

Mit einiger Verspätung erscheint nun der Demo-Bericht von den Protesten gegen den NPD-Aufmarsch in Güstrow am 23.3.2013, zu denen zahlreiche Initiativen wie das Bündnis "Rassisten stoppen", der DGB, die Kirche und Parteien aufgerufen hatten. Da die Situation an jenem Tag aber ohne größere Auseinandersetzungen blieb, sind folgende Notizen ohnehin eher als Randbemerkungen zu einer friedlichen und entspannten Veranstaltung zu verstehen. Die allgemeinen Geschehnisse wurden schon hinreichend, etwa beim NDR und KomFort, beschrieben

Kurz vor 9 Uhr kam erreichten mit dem Greifswalder Bus die ersten Demonstrierenden den Stadtteil Güstrow-Dettmannsdorf, in dem die Nazis demonstrieren sollten. Kurz darauf erreichten die ersten Polizeikräfte die aus ca. 40 Menschen bestehende Gruppe, die daraufhin zu erkennen gab, dass sie zur angemeldeten Mahnwache am jüdischen Friedhof wollte. Die Polizeikräfte waren damit zuerst nicht einverstanden, da sie anscheinend nicht wussten, dass das OVG Greifswald spät am Vorabend das vom Landkreis ausgesprochene Verbot aufgehoben hatte. Dies ist jedoch in erster Linie dem Landkreis vorzuwerfen, der ohne hinreichende Gefahrenprognose und unter Verkennung des Rechts auf Protest in Sicht- und Hörweite den legitimen Protest gegen den Naziaufmarsch verhindern versuchte.

Kurze Zeit später erreichte eine weitere, größerere Gruppe den Stadtteil und ließ sich unweit der Mahnwache auf der Neukruger Straße zu einer Sitzblockade nieder. Dies geschah – soweit von unserem Standpunkt ersichtlich – mit nur geringem körperlichem Kontakt zur Polizei, die auch später, als sich weitere Menschen von der Mahnwache aus anschlossen, sich mit dem Einsatz von Zwangsmitteln zurückhielt. Diese Strategie der Deeskalation ist zu begrüßen, wurden doch friedliche Sitzblockadeversuche etwa in Wismar ein halbes Jahr zuvor noch heftig angegangen.

Die Sitzblockade, die nie akut von einer Räumung bedroht war und den Nazis einen Teil ihrer Route abschnitt, blieb zusammen mit der Mahnwache die einzig größere Versammlung der Protestierenden im Aufmarschgebiet. Kritisch anzumerken ist lediglich, dass die Polizei mit einer kaum durchschaubaren Strategie versuchte, die Blockade von der Mahnwache zu trennen. Manche Leute wurden problemlos durch eine lose Polizeikette hindurch zu anderen Versammlung, andere mussten ihre Personalien abgeben, wurden gar nicht durchgelassen oder erhielten einen Platzverweis.

Insbesondere das Erteilen von Platzverweisen an Menschen, die sich bloß zum Urinieren unweit der Blockade begaben, ist ein inakzeptabler Eingriff in die Versammlungsfreiheit, selbst wenn es eine anschließende Rückkehrmöglichkeit gab. Denn solange eine Versammlung, die wie die Sitzblockade unter den Schutz des Art. 8 GG fällt, nicht aufgelöst ist, darf die Polizei nicht mit sog. Standardmaßnahmen wie Platzverweisen gegen die Teilnehmenden vorgehen. Dies gilt insbesondere im vorliegenden Fall, denn ein Vor-die-Wahl-stellen nach dem Motto „entweder Wahrnehmung staatsbürgerlicher Recht oder Erfüllung menschlicher Bedürfnisse“ wird dem umfassenden Schutz der Versammlungsfreiheit nicht gerecht. Aber auch nach nach Auflösung der Versammlung wären Platzverweise im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Versammlung nicht statthaft, was eigentlich auch in der einschlägigen Polizei-Ausbildungsliteratur beschrieben wird (vgl. Brenneisen/Wilksen, Versammlungsrecht, Verlag Deutsche Polizeiliteratur GmbH, 4. Aufl. 2011, S. 375).

Dies blieben jedoch die einzigen juristisch erwähnenswerten Vorkommnisse, die die AKJ-Demobeobachtung machte. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass der Tag weitestgehend zufriedenstellend verlief und nur in einzelnen Punkten Nachbesserungsbedarf besteht.

Demobeobachtung von der Antifa-Demo

  • Bei Ankunft von Demonstrierenden am Südbahnhof, erfolgten Maßnahmen gegen einen Demonstranten welcher Nazi-Schmierereien unkenntlich machen wollte. Nach Aufnahme des Sachverhalts durfte der Demonstrant sich jedoch der Demo anschließen.
  • Zu Beginn der Demo hielten die Einsatzkräfte sich im Hintergrund und trugen auch noch keine Helme. Ferner wurde zunächst auch nicht gefilmt.→ dies machte zunächst Hoffnung auf einen zurückhaltenden Polizeieinsatz und einen entspannten Verlauf.
  • Nachdem vereinzelt Feuerwerkskörper gezündet wurden, drohte die Polizei an, dass, wenn dies nicht unterbliebe sie zu filmen beginnen würde.→ dies zeugt von einer gewissen Sensibilisierung seitens der Polizei hinsichtlich der Datenerhebung und ist somit positiv zu werten.
  • Bis auf eine kleine Provokation von vermutlich Neo-Nazis an der Ecke Hertz Str. / Lomonossow Allee, nahm die Demonstration zunächst einen reibungslosen Verlauf und auch die Einsatzkräfte hielten sich weiterhin im Hintergrund.
  • In der Anklamer Str. kam es erneut zu Provokationen von am Straßenrand stehenden Nazis. Wegen der daraus resultierenden Unruhe musste die Demonstration zunächst gestoppt werden. Es dauerte ca. 30 Minuten, bis die Demonstration fortgeführt werden konnte. In der Zwischenzeit hatte die Polizei massiv Kräfte zusammengezogen. Insbesondere die Anzahl der Polizeifahrzeuge im direkten Umfeld der Demonstration erhöhte sich schlagartig von ca. 6 auf ca. 30 Fahrzeuge. Einzelne Einsatzkräfte waren mit Pfefferspray/CS-Gas ausgerüstet. Ferner wurde angemahnt Vermummungen abzunehmen und die Einsatzkräfte zogen ihre Helme auf. Außerdem wurde ab diesem Zeitpunkt die Demonstration von der Polizei abgefilmt und ein Polizeihubschrauber war im Einsatz.![]()Die massive Erhöhung der Polizeipräsenz und deren einschüchternde Wirkung sowie das lange Warten ohne erkennbaren Grund verstärkten die Anspannung in unnötiger Weise.
  • In der Makarenkostr. wurde ein Transparent mit der Aufschrift „Nazigewalt stoppen“ von einem Hausdach herabgelassen und ein Feuerwerk gezündet. Daraufhin stürmten mehrere Einsatzkräfte die anliegenden Hauseingänge. Es wurde uns untersagt die Maßnahmen zu begleiten.→ Gerade das Beobachten von polizeilichen Maßnahmen ist Sinn und Zweck der Demobeobachtung und hat sich schon oft als deeskalierend bewiesen, weshalb nicht einzusehen ist, warum gerade hier die Tätigkeit des AKJ behindert wurde.
  • Am Karl-Liebknecht Ring auf der Höhe Anklamer Str. wurde ein Demonstrant von einer von Einsatzkräften gewaltsam aus der Demonstration herausgezogen und wegen des angeblichen Einsatzes eines Laserpointers in Gewahrsam ![]()![]()genommen. Durch die Maßnahme kam er erneut zu Unruhe.→ Es ist bedauerlich, dass die Polizei nicht zunächst über den sich sehr kooperativ zeigenden Veranstalter aufriefen ließ, die angeschuldigte Tätigkeit zu unterlassen. Stattdessen wirkte das martialische Eindringen von Festnahmeeinheiten eskalierend.
  • In der Karl Krull Str. wurde erneut ein Demonstrant gewaltsam aus der Demonstration entfernt, da dieser sich angeblich vermummt hatte. Das überraschende Eindringen von behelmten Einsatzkräften in den Demonstrationszug sorgte für Unruhe und laute Proteste. Außerdem wurde ein Rauchsatz entzündet.→ Grundsätzlich ist anzumerken, dass das Herausgreifen einzelner Demonstrierender aus dem Demonstrationszug eine hohe Gefahr von Eskalation birgt. Daher ist insbesondere beim Vorwurf der Vermummung – während wegen der kalten Temperaturen sowieso alle Leute Schal und Mütze tragen – das Herausgreifen Einzelner als unangemessen einzustufen.

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  • Im Folgenden war die Stimmung auf beiden Seiten sehr angespannt. Spätestens ab diesem Zeitpunkt wurde durchgehend gefilmt und der vordere Teil der Demonstration auf beiden Seiten von geschlossenen Polizeiketten begleitet.→ Hierzu ist anzumerken, dass das Tragen von Transparenten der Verwirklichung der Meinungsäußerung dient, welche durch das Abschirmen durch die Polizei weitgehend vereitelt wird.
  • Das Haus eines stadtbekannten Neonazis in der Wolgaster Str. wurde durch ein massives Polizeiaufgebot sowie mit zwei Wasserwerfen abgeschirmt. Es kam jedoch zu keinerlei Zwischenfällen.
  • An der Ecke Wolgaster Str Ecke Blum Str. wurde ein dritter Demonstrant wegen einer angeblichen Vermummung aus der Veranstaltung gezogen und in Gewahrsam genommen. Dies erfolgte wiederum durch ein plötzliches Eindringen von Einsatzkräften in den Demonstrationszug. Daraufhin musste die Demonstration erneut für ca. 15 Minuten anhalten. Einzelne Demonstrierende beklagten in dieser Zeit Beleidigungen von Seiten der Einsatzkräfte. Dem Verlangen zur Herausgabe von Dienstnummer der Einsatzkräfte wurde nicht Folge geleistet.→ Hier kann auf die Kritik an den vorigen Ingewahrsamnahmen (insbesondere hinsichtlich des Vorwurfs der Vermummung) verwiesen werden. Zudem fand sie an einem stark frequentierten Ort kurz vor Ende der Demonstration statt. Durch die absehbare Unruhe wurde bei den Passant_innen der Eindruck einer äußerst gewalttätigen Demonstration geweckt, was nicht dem bisherigen Demonsrationsverlauf entsprach. Es drängt sich der Eindruck auf, als ob die Polizei diese Maßnahme bewusst an einem der belebtesten Orte Greifswalds durchgeführt hat, da nicht ersichtlich ist, warum die Maßnahme nicht früher oder später an einem weniger frequentierten Streckenabschnitt hätte vorgenommen werden können.
  • Bei der Abschlusskundgebung zog sich die Polizei schrittweise zurück.
  • Nach Auflösung der Demonstration wurden vereinzelt Feuerwerkskörper auf dem Schießwall gezündet. In der Folge wurden die Personalien einzelner Teilnehmender aufgenommen. Ferner wurden einige durchsucht.
  • Zumindest zwei der in Gewahrsam genommenen Personen waren noch mindestens 45 Minuten nach Ende der Demonstration in Gewahrsam.→ Spätestens mit Ende der Demonstration bestand keine Wiederholungsgefahr mehr. Ferner hatten die betroffenen Personen ihre Personalien angegeben hatten, sodass kein Grund für das Fortdauern der Ingewahrsamnahmen ersichtlich ist.

Pressemitteilung 9.12.2011: AKJ Greifswald wird antifaschistische Demonstration mit Demobeobachtungsteams begleiten

Der Arbeitskreis Kritischer Jurist_innen (AKJ) Greifswald wird bei der antifaschistischen Demonstration „Zieht euch warm an“ am 10.12.2011 in Greifswald mit Demobeobachtungsteams vertreten sein. Diese Teams, die an ihren magentafarbenen Warnwesten mit der Aufschrift „Demobeobachtung“ erkennbar sind, werden das Verhalten der Ordnungskräfte gegen­über den Demonstrierenden dokumentieren und nach den Aktionen einen Bericht über das Vorgehen der staatlichen Gewalt veröffentlichen.

Ziel der Demobeobachtung ist der Schutz der Versammlungsfreiheit, welche laut Bundesverfas­sungsgericht der unmittelbars­te Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit und eines der vornehmsten Menschenrechte über­haupt ist. Diese ist als Abwehrrecht gegen den Staat konzipiert, weshalb das Augenmerk auf der rechtlichen Würdigung des polizeilichen Vorgehens liegt. Dabei versteht sich die Gruppe, die aus Greifswalder Jurastudierenden besteht, ausdrücklich als neutrales und unabhängiges Beobachtungsteam. „Wir sehen uns nicht als Teil der Demonstration und werden die Beteiligten nicht unmittelbar unterstützen.“, so ein Mitglied des![]() AKJ. „Genauso wenig werden wir als Hilfskräfte der Polizei auftreten. Unsere Neutralität bedeutet aber auch nicht, dass wir uns als Schiedsrichter_innen zwischen Demonstrierenden und Polizei sehen.“ Die Teams werden insbesondere nicht auf Anfrage oder Zuruf der Polizei beobachten, sondern ausschließlich dann, wenn sie es für notwendig oder sinnvoll halten und auch personell und organisatorisch dazu in der Lage sind. Zur Dokumentation werde man am Rande der Demonstration Notizen machen, ggf. das Polizeivorgehen fotografieren und anschließend die gesammelten Informationen auswerten.

Bei Großveranstaltungen kam es in der letzten Zeit immer wieder zu unverhältnismäßigen Polizeieinsätzen. Insbesondere bei Veranstaltungen, zu denen Demonstrierende aus anderen Städten anreisen, kam es immer wieder zu intensiven Vorkontrollen, die die Teilnahme an der Versammlung erschwerten. Der AKJ weist jedoch darauf hin, dass nach ständiger Rechtsprechung angemeldete Versammlungen einen umfassenden Schutz genießen. Sie dürfen nicht durch übermäßige Auflagen, Kontrollen oder Überwachung eingeschränkt werden – im Gegenteil ist es Aufgabe der Polizei und der Ordnungsbehörde, die Demonstrierenden bei der Wahrnehmung ihrer Grundrechte zu schützen. Ob sie diese Aufgabe erfüllen, wird in den Tagen nach der Demonstration im Bericht des AKJ veröffentlicht.

Erste Eindrücke vom Castor-Transport

Hier die ersten Auffälligkeiten der Beobachtung der Protestaktionen gegen den Castor-Transport ins Zwischenlager Nord, die in der Nacht vom 16. auf den 17.2. zwischen Greifswald und Lubmin stattfanden:

  • Die von der Mahnwache Kemnitz in Richtung Schiene gehenden Aktivist_innen wurden von einem Teil der eingesetzten Polizeikräften mit massiver Gewalt gestoppt. Über das "normale" Schubsen hinaus wurden den Castorgegner_innen durch heftige Tritte von hinten in die Beine oder gezielte Schläge gegen den Kehlkopf zu Fall gebracht. Ein Aktivist blutete nach Schlägen heftig aus der Nase.
  • Diejenigen, die zur Mahnwache zurückgingen, wurden dort eingekesselt. Für einige Zeit kam niemand (auch nicht als Einzelperson) heraus, obwohl es sich um eine angemeldete Versammlung handelte.
  • Der Gewalteinsatz der Polizei gegen eine von Brünzow losgehende Gruppe war angemessen. Allerdings wurde die Gruppe eingekesselt und verkündet, ihr werde die Freiheit entzogen. Erst nach einigen Minute gab ein Polizist zu erkennen, dass es sich wohl um eine Versammlung handele und wieder einige Minuten später wurde bekannt gegeben, dass die Gruppe auch zu einer Mahnwache gehen dürfe.
  • Von der Räumung der Sitzblockade der Kemnitzhäger Gruppe wurden keine Probleme gemeldet.
  • Die Polizei hielt Aktivist_innen nach Durchfahrt des Castortransportes noch 30  Minuten in Gewahrsam, obwohl sie unverzüglich hätten freigelassen werden müssen
  • Bei Kemnitzerhagen wurde ein Sanitäter festgesetzt und erst auf Intervention des AKJ und hinzukommen der Presse freigelassen
  • Die Polizei war teilweise schlecht informiert: mehrfach behaupteten Beamt_innen, es geben ein Versammlungsverbot entlang der Schiene (was nicht stimmt!)
  • Von Ingewahrsamgenommen bei Stilow wurde - obwohl sie keine Ordnungswidrigkeiten begangen hatten - die Identität festgestellt und selbst bei Vorliegen des Personalausweises die Gesichter fotografiert



Demobeobachtung Lubmin-Castor 12/2010

Vom 14. bis 16.12.2010 fand ein Castortransport aus dem französischen Cadarache ins Zwischenlager Nord bei Lubmin statt. Zu diesem Anlass wurden zahlreiche Protestveranstaltungen organisiert. Der AKJ (Arbeitskreis Kritischer Jurist_innen) Greifswald begleitete einige dieser Veranstaltungen mit De­mobeobachtungsteams.

Auftaktdemonstration am 11.12.2010 in Greifswald

Das Antiatombündnis Nordost veranstaltete am 11.12. ein Auftaktdemonstration gegen die Castortransporte ins Zwischenlager Nord. Gegen 13.30 Uhr begann sie mit einer Kundgebung auf dem Bahnhofsvorplatz in Greifswald. Ab 14.30 Uhr startete der Aufzug mit ca. 3000 Demonstrant_innen, der die Altstadt umrundete und ca. um 15.30 Uhr wieder am Bahnhof ankam, wo auch die Ab­schlusskundgebung stattfand. Der AKJ war mit drei Teams à drei Leuten vor Ort.

Die Demonstration verlief, wie von Veranstalter_innen und Polizei erwartet, durchgehend friedlich.

Auch das Polizeiverhalten war weitestgehend angemessen. Während der Auftakt- und Schlusskundgebung hielten sich die Polizeikräfte sehr im Hintergrund. Bei der Demonstration liefen mehrere Polizeigruppen in größeren Abständen am Rand mit, verhielten sich aber zurückhaltend.

Die Straßen Richtung Innenstadt waren meist durch Polizeiketten gesichert, auch waren größere Kontingente in der Stadt anwesend, so zum Beispiel mehrere Wasserwerfer. Einige Beamte führten gut sichtbar Behälter mit sich, in denen sich vermutlich Pfefferspray befand. Zeitweise wurde die Demo mittels eines Hubschraubers überwacht. Angesichts der – auch schon im Voraus erwarteten – Friedlichkeit der Demonstration und im Vergleich zu ähnlichen Veranstaltungen andernorts erscheint ein solches Polizeiaufgebot teilweise übertrieben und einschüchternd. Auch wenn massiver Polizeieinsatz bei derzeitigen Demonstrationen überaus häufig vorkommt, sollte dies nicht der Normalfall sein. Gerade bei Anti-Atomkraft-Protesten, die zu einem großen Teil von Familien mit Kinder getragen werden, sollte die Anzahl der Polizeikräfte dem zu erwartenden Konfliktpotential entsprechen. Und ein großes Polizeiaufgebot kann gerade bei Familien und älteren Personen eine abschreckende Wirkung haben und sie so von der Teilnahme an der Demonstration und somit der Ausübung ihrer verfassungsmäßig garantierten Versammlungsfreiheit abhalten.