Demo-Bericht von den Anti-Nazi-Protesten am 23.3.2013 in Güstrow
Mit einiger Verspätung erscheint nun der Demo-Bericht von den Protesten gegen den NPD-Aufmarsch in Güstrow am 23.3.2013, zu denen zahlreiche Initiativen wie das Bündnis "Rassisten stoppen", der DGB, die Kirche und Parteien aufgerufen hatten. Da die Situation an jenem Tag aber ohne größere Auseinandersetzungen blieb, sind folgende Notizen ohnehin eher als Randbemerkungen zu einer friedlichen und entspannten Veranstaltung zu verstehen. Die allgemeinen Geschehnisse wurden schon hinreichend, etwa beim NDR und KomFort, beschrieben
Kurz vor 9 Uhr kam erreichten mit dem Greifswalder Bus die ersten Demonstrierenden den Stadtteil Güstrow-Dettmannsdorf, in dem die Nazis demonstrieren sollten. Kurz darauf erreichten die ersten Polizeikräfte die aus ca. 40 Menschen bestehende Gruppe, die daraufhin zu erkennen gab, dass sie zur angemeldeten Mahnwache am jüdischen Friedhof wollte. Die Polizeikräfte waren damit zuerst nicht einverstanden, da sie anscheinend nicht wussten, dass das OVG Greifswald spät am Vorabend das vom Landkreis ausgesprochene Verbot aufgehoben hatte. Dies ist jedoch in erster Linie dem Landkreis vorzuwerfen, der ohne hinreichende Gefahrenprognose und unter Verkennung des Rechts auf Protest in Sicht- und Hörweite den legitimen Protest gegen den Naziaufmarsch verhindern versuchte.
Kurze Zeit später erreichte eine weitere, größerere Gruppe den Stadtteil und ließ sich unweit der Mahnwache auf der Neukruger Straße zu einer Sitzblockade nieder. Dies geschah – soweit von unserem Standpunkt ersichtlich – mit nur geringem körperlichem Kontakt zur Polizei, die auch später, als sich weitere Menschen von der Mahnwache aus anschlossen, sich mit dem Einsatz von Zwangsmitteln zurückhielt. Diese Strategie der Deeskalation ist zu begrüßen, wurden doch friedliche Sitzblockadeversuche etwa in Wismar ein halbes Jahr zuvor noch heftig angegangen.
Die Sitzblockade, die nie akut von einer Räumung bedroht war und den Nazis einen Teil ihrer Route abschnitt, blieb zusammen mit der Mahnwache die einzig größere Versammlung der Protestierenden im Aufmarschgebiet. Kritisch anzumerken ist lediglich, dass die Polizei mit einer kaum durchschaubaren Strategie versuchte, die Blockade von der Mahnwache zu trennen. Manche Leute wurden problemlos durch eine lose Polizeikette hindurch zu anderen Versammlung, andere mussten ihre Personalien abgeben, wurden gar nicht durchgelassen oder erhielten einen Platzverweis.
Insbesondere das Erteilen von Platzverweisen an Menschen, die sich bloß zum Urinieren unweit der Blockade begaben, ist ein inakzeptabler Eingriff in die Versammlungsfreiheit, selbst wenn es eine anschließende Rückkehrmöglichkeit gab. Denn solange eine Versammlung, die wie die Sitzblockade unter den Schutz des Art. 8 GG fällt, nicht aufgelöst ist, darf die Polizei nicht mit sog. Standardmaßnahmen wie Platzverweisen gegen die Teilnehmenden vorgehen. Dies gilt insbesondere im vorliegenden Fall, denn ein Vor-die-Wahl-stellen nach dem Motto „entweder Wahrnehmung staatsbürgerlicher Recht oder Erfüllung menschlicher Bedürfnisse“ wird dem umfassenden Schutz der Versammlungsfreiheit nicht gerecht. Aber auch nach nach Auflösung der Versammlung wären Platzverweise im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Versammlung nicht statthaft, was eigentlich auch in der einschlägigen Polizei-Ausbildungsliteratur beschrieben wird (vgl. Brenneisen/Wilksen, Versammlungsrecht, Verlag Deutsche Polizeiliteratur GmbH, 4. Aufl. 2011, S. 375).
Dies blieben jedoch die einzigen juristisch erwähnenswerten Vorkommnisse, die die AKJ-Demobeobachtung machte. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass der Tag weitestgehend zufriedenstellend verlief und nur in einzelnen Punkten Nachbesserungsbedarf besteht.