Zwischenzeitlich verboten – zur Sprechstunde des AKJ im Greifswalder Flüchtlingsheim

Die AKJ-Sprechstunde im Greifswalder Flüchtlingsheim wurde Mitte August vom Sozialamt Vorpommern-Greifswald untersagt. Wir haben uns von Beginn an daran bemüht, Differenzen zwischen Sozialamt und AKJ im direkten Gespräch zu lösen. Nachdem das Verbot Mitte September durch einen Bericht in der Ostsee-Zeitung (OZ) öffentlich bekannt wurde, verständigten sich die Beteiligten bei einem Treffen, dass die Sprechstunde wieder durchgeführt werden kann. Wir freuen uns ausdrücklich, dass trotz unterschiedlicher Auffassungen zu Einzelfragen eine für alle akzeptable Lösung gefunden wurde. Auch zukünftig wollen wir Probleme bevorzugt im direkten Gespräch lösen. Da wir in den letzten Wochen aber auch zahlreiche Anfragen und Sympathiebekundungen wegen unserer – zwischenzeitlich verbotenen – Arbeit erhielten, in Einrichtungen des Landkreises diesbezüglich jedoch auch der Vorwurf mangelnder Professionalität erhoben wurde, halten wir eine kurze Darstellung der Geschehnisse für notwendig.

Wie wir zum Sozialamt kamen

Mehr als ein Jahr lang verlief die Sprechstunde des AKJ ohne größere öffentliche Aufmerksamkeit. Wir lernten viele nette Menschen kennen, knüpften Kontakte, sammelten Erfahrungen und Wissen bzgl. der Situation von Flüchtlingen. Die vielen Einzelschicksale verdeutlichten uns, wir prekär ihre rechtliche Position oft ist – umso mehr freuten wir uns über Erfolge, die wir erreichen konnten. Dass das Bundesverfassungsgericht am 18.7.2012 entschied, das Asylbewerber_innen zur Sicherung des Existenzminimums deutlich höhere Leistungen erhalten müssen, stieß das nicht nur bei uns auf großes Interesse. Als wir Greifswalder Heimbewohner_innen das Urteil erklärten, entschlossen sich viele, Widerspruch gegen die bisherigen, zu niedrigen Leistungen einzulegen. Wir halfen ihnen mit Formularen, die der Berliner Flüchtlingsrat öffentlich zur Verfügung stellt. Mit Rücksicht auf die gesetzliche Widerspruchsfrist von nur einem Monat brachten wir die Formulare am 31.7. zum Sozialamt.
Lange Verhandlungen

Nach gut einer Woche erhielt der AKJ am 6.8. vom Sozialamt – das vorher nach eigener Angabe noch nie von unserer Tätigkeit gehört hatte – die  Aufforderung, den Flüchtlingen eine Rücknahme der Widersprüche nahezulegen, da diese keine Aussicht auf Erfolg hätten und dem Amt nur Arbeit bereiteten. Nach Rücksprache mit in der Flüchtlingshilfe tätigen Personen wiesen wir am 9.8. darauf hin, weder die rechtliche Einschätzung bzgl. der Erfolgsaussichten zu teilen noch für die Flüchtlinge vertretungsberechtigt zu sein. Als wir am 14.8. - also zwei Wochen nach den Widersprüchen und eine Woche nach der ersten Kontaktaufnahme – zur Sprechstunde ins Heim kamen, eröffnete uns die Heimleitung, dass diese wegen mangelnder Professionalität vom Sozialamt untersagt worden.

Daraufhin erklärten wir ausführlich unsere Tätigkeit im Flüchtlingsheim und baten um Aufhebung des Verbots. Nach mehrfachen erfolglosen Versuchen fand am 6.9. ein Telefongespräch statt, bei dem die die Untersagung der Sprechstunde nun damit begründet wurde, dass sie nicht mit dem Betreibervertrag des Heims vereinbar sei. Von der Situation hatten mittlerweile einige Personen aus dem Umfeld des Flüchtlingsheims und Interessierte verschiedener Medien erfahren. Die weitere Entwicklung ist eingangs erwähnt.

Die Wichtigkeit ehrenamtlicher Flüchtlingsarbeit

Wir hoffen, dass die Bedenken bzgl. der Qualität unserer Sprechstunde mittlerweile ausgeräumt sind. Unsere Hilfe bei der Einlegung von Widersprüchen ist mit spezialisierten Rechtsanwälten abgesprochen, andere Rechtsbeistände haben ähnlich Schritte wie wir gewählt. Dass später die Argumentation des Landkreises auf Formalitäten der Raumnutzung im Heim umschwenkte, ist erfreulich. Denn bei entsprechender Gesprächsbereitschaft lässt sich darüber Einvernehmen herstellen. Die Stichhaltigkeit der Argumentation im Übrigen möge jede_r selbst bewerten. Wichtig ist, dass der Landkreis nun öffentlich unser Engagement begrüßt. Dies erhoffen wir uns auch für die anderen Flüchtlingsheime des Kreises in Anklam und Wolgast, ebenso für die viele anderen ehrenamtlichen Initiativen. Denn bei entsprechender Offenheit und Kooperationsbereitschaft profitieren alle davon.

 Foto: Flüchtlingsheim Greifswald, by webmoritz