Zivilpolizisten verletzen Versammlungsrecht bei 1. Mai-Demonstration in Greifswald

Bericht der AKJ Greifswald zur Demonstration „Zukunft statt Profite“ am 01.05.2018 in Greifswald

Am Dienstag, den 01. Mai 2018, fand in Greifswald eine Demonstration unter dem Motto „Zukunft statt Profite“ anlässlich des Tages der Arbeit statt. Der Arbeitskreis kritischer Juristinnen Greifswald dokumentierte mit fünf Beobachterinnen, ob das Recht auf Versammlungsfreiheit und weitere Vorgaben des Versammlungsrechts gewahrt wurde .1

Voraussetzungen für Anwesenheit von Zivilbeamten in der Versammlung nicht erfüllt

Gleich zu Beginn kam es am Startpunkt der Demonstration, dem Greifswalder Südbahnhof, zu einer Meinungsverschiedenheit zwischen Demonstrationsteilnehmerinnen und zwei zivil gekleideten Polizisten. Diese hielten sich in dem Bereich auf, in welchem sich die Demonstrantinnen zu diesem Zeitpunkt versammelten. Sie waren nicht als Polizisten kenntlich gemacht, sondern äußerlich viel mehr den Demonstrantinnen zuzuordnen. Einigen der Demonstrationsteilnehmerinnen waren sie trotzdem als Beamte bekannt und wurden von ihnen daraufhin gebeten, den Bereich der Versammlung zu verlassen. Infolge dessen entstand eine längere Diskussion.

Offensichtlich unbekannt war den beiden Beamten die Regelung des Gesetzgebers, dass der Aufenthalt von zivilen Polizeibeamten in einer Versammlung nur zulässig ist, wenn entweder nachgewiesen werden kann, dass die Informationsbeschaffung zur Beurteilung der Lage durch außerhalb der Versammlung eingesetzte Polizeibeamte und durch die Anfertigung von Übersichtsaufnahmen zur Lenkung und Leitung des Polizeieinsatzes nicht ausreicht. Oder es müsste innerhalb der Versammlung zuvor eine Straftat begangen worden sein2. Für beides gab es keine Anhaltspunkte. Folglich gab es keine Befugnis der zwei Zivilpolizisten, sich innerhalb der Versammlung aufzuhalten. Selbst wenn sie jedoch befugt gewesen wären, hätten sie sich im Vorfeld des Einsatzes gemäß § 12 VersG bei der Versammlungsleitung anmelden müssen. Auch diese gesetzliche Voraussetzung für einen solchen Einsatz wurde nicht beachtet.

Anlasslose Filmaufnahmen zum wiederholten Mal in der Kritik

Ein weiterer Augenmerk unserer Beobachtung lag auf der Anfertigung von Bild- und Tonaufnahmen mit Handys von Polizeibeamten.

Um 12.45 Uhr dokumentierten wir an der Ecke Tolstoi-/Maxim-Gorki-Straße die Aufnahme eines Fotos durch einen Polizisten, der für die Absperrung der Straße verantwortlich war. Irrelevant ist dabei, ob es sich um sein privates oder dienstliches Handy handelte. Solange es keine Anhaltspunkte für eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung (vgl. § 12a VersG) gab, wie hier vorliegend der Fall, ist das Fotografieren oder Filmen durch einen Polizisten im Einsatz rechtswidrig.

Wesentlich gravierender waren die durch Zivilbeamte getätigten Filmaufnahmen. Ein solcher Vorfall ereignete sich um 13.53 Uhr am Platz der Freiheit (Europakreuzung), der zugleich Ort der Abschlusskundgebung war. Hier fotografierte einer der zuvor aufgefallenen Zivilbeamten mit seinem Handy die Kundgebung. Wenig später, als sich die Demonstration um 14.06 Uhr wieder in Bewegung setzte, filmte der andere Polizeibeamte den gesamten Demonstrationszug, als dieser an ihm vorbeilief. Das ist insofern problematisch, als dass es sich bei der verdeckten Aufnahme um einen besonders gravierenden Grundrechtseingriff handelt3. Lagen schon bei der Aufnahme durch einen uniformierten Polizisten die Voraussetzungen eines Kameraeinsatzes nicht vor, wurden hier die Anforderungen des Versammlungsgesetzes in besonderem Maße missachtet.

Bei Rückfragen nehmen Sie gerne per Mail Kontakt mit uns auf.

1Allgemeine Berichte zu den Geschehnissen können vielen anderen Medien entnommen werden. Zum Selbstverständnis der Demobeobachtungsgruppe siehe http://recht-kritisch.de/index.php/demobeobachtung/.

2Dietel/Gintzel/Kniesel, VersG § 18 Rn. 15f.

3Dietel/Gintzel/Kniesel, VersG § 12a Rn. 13.

(Bild von strassentalk)