PM: Demobericht zu den Protesten gegen AfD-Demonstration am 14. Mai 2018 in Rostock-Lütten Klein

Am Montag, den 14. Mai 2018, protestierten viele hundert Menschen gegen eine AfD-Demonstration im Rostocker Stadtteil Lütten Klein. Der Arbeitskreis kritischer Jurist_innen Greifswald dokumentierte mit sieben Beobachter_innen, ob das Recht auf Versammlungsfreiheit und weitere Vorgaben des Versammlungsrechts gewahrt wurde.1

Problematische Machtdemonstration durch Wasserwerfer

Während der Protestveranstaltungen hatte die Polizei nicht nur – wie das bereits bei vergangenen Versammlungen, wie zuletzt in Demmin am 08. Mai 2018 der Fall war – zwei Wasserwerfer vor Ort bereit gehalten, sondern fuhr mit diesen im Bereich der Demonstrationsroute umher. Dabei wurden sie mitunter auf größere Gruppen von Demonstrierenden gerichtet oder begleiteten Versammlungen, indem sie sich permanent in deren Umfeld befanden. Zwar schossen sie kein Wasser, doch stellt das Auffahren dieser Fahrzeuge, aus deren Strahlrohren teilweise Wasser ran und welche somit Einsatzbereitschaft signalisierten, eine Machtdemonstration dar. Ein solcher Gebrauch hat in zweierlei Hinsicht eine einschüchternde Wirkung. Einerseits wird den Demonstrierenden der Eindruck vermittelt, dass sie für ihr Tun mit dem baldigen Einsatz des Wasserwerfers rechnen müssen. Dies ist insbesondere dann problematisch, wenn in der jeweiligen Situation ein rechtmäßiger Einsatz völlig fernliegend ist. Sowohl bei den Vorgängerdemonstrationen im März und April in Rostock-Evershagen als auch an diesem Abend wäre ein Einsatz gegen die durchgängig friedlichen Versammlungen aber eindeutig unverhältnismäßig gewesen. Für einen rechtmäßigen Einsatz zeichnete sich zudem zu keinem Zeitpunkt ein Anlass ab. Zum anderen suggeriert das Auffahren der Wasserwerfer gegenüber Dritten, dass von den Demonstrierenden eine erhebliche Gefahr ausginge. Diese kommunikative Wirkung schwächt die Vermittlung des Demonstrationsanliegens und beschneidet daher die Versammlungsfreiheit.

Gewaltsame Polizeimaßnahme und unverhältnismäßiger Platzverweis

Um 20.24 Uhr kam es an der Ecke Rigaer Straße/St. Petersburger Straße zu einer Auseinandersetzung zwischen Polizei und Demonstrierenden, welche sich in einer Gruppe von ca. 25 Personen auf den Abreiseort der AfD-Demo zubewegten. In einer hektischen Situation drohte die Polizei mit dem Einsatz von Pfefferspray, sollten sich die Demonstrierenden nicht zurück zu der restlichen Gruppe ca. 100 Meter entfernt in der Rigaer Straße begeben. Dabei kam es zu Diskussionen und Rangeleien, bei der eine Person gewaltsam zu Boden gedrückt und dort von drei Polizeikräften festgehalten wurde. Sie bat mehrmals darum, ihre verrutschte Kleidung wieder zurechtzurücken, da es dadurch zu einer entblößenden Situation für die betroffene Person kam. Dies verweigerten die Polizeikräfte jedoch und hielten sie bei ihrem Versuch, das Kleid selber zurecht zu rücken nur noch mehr fest, sodass sie, wie später auch von der Polizei festgestellt, eine Schwellung am linken Jochbein davon trug. Ein solches Vorgehen ist in Situationen wie dieser, in denen keine Gewalt und damit auch keine Gefahr für die Beamt_innen von Seiten der betroffenen Person ausgeht, sowohl entwürdigend als auch unverhältnismäßig und somit rechtswidrig.

Im Anschluss an die folgende Durchsuchung und erkennungsdienstlichen Behandlung auf Grundlage des Tatverdachts der Vermummung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, erhielt sie um 20.45 Uhr einen bis 24.00 Uhr geltenden Platzverweis für den östlichen Teil des Rostocker Stadtviertels Lütten Klein. Zum einen war die genannte Ortsbeschreibung zu unbestimmt, um den Geltungsbereich des Platzverweises genau zu ermitteln. Zum anderen bezogen sich die Vorwürfe – auch wenn man ihre Berechtigung unterstellt – gegen die betroffene Person allenfalls auf ein Versammlungsgeschehen, das nach Auflösung der AfD-Demonstration um ca. 20.15 Uhr und bereits erfolgter Abreise der Demonstrationsteilnehmenden bereits beendet war. Eine Prognose, dass sie im vom Platzverweis erfassten Gebiet noch eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung sein sollte, lässt sich nicht auf die dafür nötigen Tatsachen stützen.

Immer wieder Streit ums Filmen

Kritikwürdig erscheint diesmal nicht nur der Einsatz eigener Kameras durch die Polizei, sondern auch die Beeinträchtigung des Filmens durch Dritte. Eine Person, die die oben beschriebene Polizeimaßnahme in der Rigaer Straße filmte, wurde von Einsatzkräften darauf hingewiesen, dass sie entweder einen Presseausweis zeigen oder das Filmen unterlassen solle. Hierbei ist jedoch zu betonen, dass das Aufnehmen von Polizeieinsätzen nicht verboten ist, bei Zwangsmaßnahmen im öffentlichen Raum im Gegenteil ein öffentliches Interesse daran bestehen kann. Es kann zwar unter Umständen rechtswidrig sein, Aufnahmen zu veröffentlichen, etwa wenn sie das Persönlichkeitsrecht der Gefilmten verletzen. Dies ist jedoch bei derartigen Einsätzen in Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an der Dokumentation nicht nur unwahrscheinlich, sondern kann jedenfalls nicht dazu führen, das Filmen selbst zu unterbinden. Andererseits richtete ein Polizeibeamter um 20.35 Uhr an der Ecke Rigaer Straße/St. Petersburger Straße eine Kamera auf eine Gruppe von Personen, die gerade dabei waren, die Demonstration zu verlassen. Zwar gelten dann nicht die Anforderungen für das Filmen von Versammlungen gem. §§ 12a, 19a VersammlG. Doch auch nach dem dann anwendbaren allgemeinen Polizeirecht ist ein anlassloses Filmen unzulässig. Da auch die Abreise von Versammlungen unter den Schutz von Art. 8 GG fällt, ist zu betonen, dass schon das Ausrichten der Kameras und nicht erst die Bildaufnahme einen Grundrechtseingriff darstellt, weil schon der Eindruck, dass die Demonstrationsteilnahme anlasslos registriert wird, eine einschüchternde Wirkung entfaltet. Abgesehen davon kam es auch in Lütten Klein zu den von uns schon vielfach kritisierten Bildaufnahmen der Protestveranstaltungen, ohne dass es die für deren Rechtmäßigkeit erforderlichen Anhaltspunkte gab. Auch wenn es für manche erst einmal verwunderlich erscheinen mag, dass das Filmen durch die Polizei rechtswidrig sein soll, während es bei Privatpersonen rechtmäßig ist, so ist zu betonen: Im freiheitlichen Rechtsstaat hat der Staat sich für Grundrechtseingriffe zu rechtfertigen, Bürger_innen müssen das nicht. Ein Bewusstsein dafür scheint leider noch nicht in allen Teilen der Polizei angekommen zu sein.

Bei Rückfragen nehmen Sie gerne per Mail Kontakt mit uns auf.

(1) Allgemeine Berichte zu den Geschehnissen können vielen anderen Medien entnommen werden. Zum Selbstverständnis der Demobeobachtungsgruppe siehe http://recht-kritisch.de/index.php/demobeobachtung/.

Bild von Endstation Rechts