Demonstration gegen IB-Zentrale in Rostock

Rechtswidrige Dauerüberwachung im Fokus der Demobeobachtung

Bericht der Demobeobachtungsgruppe des AKJ Greifswald über die Demonstration „Kein Raum für Nazis – Zentrale der Identitären dichtmachen“ am 07.04.2018 in Rostock

Am Samstag, den 07. April 2018, fand in Rostock eine Demonstration gegen die Zentrale der rechtsextremen Identitären Bewegung statt, an der sich bis zu tausend Menschen beteiligten. Der AKJ Greifswald dokumentierte mit drei Beobachter*innen, ob das Recht auf Versammlungsfreiheit und weitere Vorgaben des Versammlungsrechts gewahrt wurde.(1) Die Demonstration startete um 14.45 Uhr am Rostocker Hauptbahnhof und endete dort kurz vor 18 Uhr.

Unzulässige Dauerüberwachung durch Kamerawagen

Ein Fokus der Demobeobachtung lag auf der Überwachung durch einen Kamerawagen. Dieser fuhr nach der ersten Zwischenkundgebung ab 16.10 Uhr, als die Demonstration die Richard-Wagner-Straße / Ecke August-Bebel-Straße überquerte, zunächst an der Spitze des Demonstrationszugs. Bei der vierten und letzten Zwischenkundgebung am Leibnizplatz gegen 17.30 Uhr setzte er sich dann ans Ende des Aufzugs. Dabei war der Kameramast teilausgefahren und die Linse während der gesamten Begleitung bis zum Ende der Demonstration auf diese gerichtet, was je nach Position durch Drehungen des Kamera sichergestellt wurde. Bildaufnahmen von Versammlungen sind für die Polizei gem. §§ 19a, 12a Versammlungsgesetz nur bei tatsächlichen Anhaltspunkten für eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zulässig.

Eine solche Gefahrenlage war jedoch weder ersichtlich noch konnte sie von führenden Polizeikräften auf Nachfrage benannt werden. Es wurde sich zwar darauf berufen, dass die Kamera nicht eingeschaltet gewesen sei, was aufgrund der Beobachtungen des Demobeobachtungsteams wenig glaubwürdig erscheint, wurde die Ausrichtung der Linse doch mehrfach auf die Position der Demo angepasst, während Polizeikräfte im Wagen den Bildschirm verfolgten. Darauf kommt es jedoch auch gar nicht an, denn schon das Richten der Mastkamera auf den Aufzug führt bei den Teilnehmenden zu einem Gefühl des Beobachtetseins. Diese Einschüchterungswirkung ist ein Grundrechtseingriff, der nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 12a VersammlG gerechtfertigt ist, wie Gerichte mehrfach festgestellt haben (OVG Lüneburg, Urt. v. 24.09.2015 – 11 LC 215/14; OVG Münster, Beschl. v. 23.11.2010 – 5 A 2288/09). Erschreckend ist, dass diese eindeutigen und nicht mehr ganz neuen Entscheidungen den Einsatzkräften entweder unbekannt sind oder von ihnen bewusst ignoriert wurden. Es handelt sich um offensichtlich rechtswidriges Polizeiverhalten, dessen Rechtswidrigkeit durch ein verwaltungsgerichtliches Klageverfahren ohne Weiteres festgestellt werden kann.

Problematischer Einsatz einer Handkamera

Ebenfalls kritikwürdig ist die Überwachung der Versammlung vor dem Rathaus am Neuen Markt um 16.49 Uhr mit einer Handkamera. Zwei Einsatzkräfte filmten die vorbeigehende gesamte hintere Hälfte des Aufzugs. Zwar war im Sichtfeld Kamera auch ein gezündeter, auf dem Boden liegender Rauchtopf, doch hatten alle ab Kameraeinsatz Vorbeigehenden damit offensichtlich nichts zu tun, weshalb kein Anlass bestand, sie zu filmen.

Rechtswidrige Kontrollen der Ordner*innen

Einen Grundrechtseinschränkung ohne Rechtsgrundlage geschah vor Beginn der Demonstration gegen 14.30 Uhr, als die eingesetzten Ordnerinnen auf Aufforderung der Polizei einer Identitätsfeststellung und Alkoholkontrolle unterzogen wurden. Leider wird in Mecklenburg-Vorpommern die Überprüfung der Orderinnen regelmäßig bereits im Auflagenbescheid angeordnet. Allerdings muss die Versammlungsleitung nach dem Versammlungsgesetz nur Angaben zur Zahl der eingesetzten Ordnerinnen, nicht jedoch zu deren Identität machen. Zwar akzeptieren Gerichte eine solche Überprüfung, wenn konkrete Anhaltspunkte gegen die einzusetzenden Ordnerinnen vorliegen – bloße Vermutungen reichen allerdings nicht aus (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 30.06.2011 – 1 S 2901/10, VG Meiningen, Urt. v. 13.03.2012 – 2 K 348/11). Der polizeiliche Generalverdacht gegen die Ordner*innen konnte sich daher auch in Rostock auf keine gesetzliche Grundlage stützen und war daher rechtswidrig.

Im Übrigen konnte die durchgehend friedliche Demonstration ihr Versammlungsrecht weitgehend störungsfrei wahrnehmen. Lediglich zwischen 15.28 und 15.31 Uhr musste sie anhalten, weil wohl einzelne Teilnehmer*innen Glasflaschen mitsichführten. Ob eine solche Einschränkung angesichts der vollkommen entspannten Lage notwendig war, kann aber durchaus hinterfragt werden.

Für Rückfragen nehmen Sie bitte via E-Mail Kontakt zu uns auf.

(1) Allgemeine Berichte zu den Geschehnissen können vielen anderen Medien entnommen werden. Zum Selbstverständnis der Demobeobachtungsgruppe siehe http://recht-kritisch.de/index.php/demobeobachtung/.